Keine Feierlichkeiten: Bethlehem gleicht Geisterstadt
Keine Feierlichkeiten
Für gewöhnlich strömen zu Weihnachten Tausende Menschen durch Bethlehem, den biblischen Geburtsort Jesu im Westjordanland. Heuer ist wegen der Kampfhandlungen im Gazastreifen alles anders. Stadtrat und Kirchenvertreter haben beschlossen, auf „unnötig festliche“ Weihnachtsfeiern zu verzichten.
Online seit heute, 16.04 Uhr
Kein Christbaum, keine Lichter, kaum Menschen und Regen: Wenig ist so, wie es in der Regel zu Weihnachten in Bethlehem ist. Normalerweise kommen jedes Jahr Scharen von Touristinnen und Touristen in die Geburtsstadt Jesu, um die Weihnachtsfeiern zu begehen.
Stattdessen patrouillierten am Sonntag Dutzende Sicherheitskräfte auf dem leeren Krippenplatz. Auch die Souvenirshops öffneten nur zaghaft, da kaum Besucher zu erwarten waren. „Dieses Jahr gibt es ohne Weihnachtsbaum und ohne Lichter nur Dunkelheit“, sagte Bruder John Vinh, ein Franziskanermönch aus Vietnam, der seit sechs Jahren in Jerusalem lebt, gegenüber AP. Heuer, so Vinh, sei der Anblick des Jesuskindes auf dem Krippenplatz ernüchternd gewesen. Es erinnere ihn an die vielen Kinder, die Opfer der Kämpfe zwischen Israel und der Hamas wurden.
Schlag für die WirtschaftAuch der Restaurantbesitzer Ala’a Salameh sagte der Nachrichtenagentur, er könne es nicht rechtfertigen, einen Baum aufzustellen, während viele andere Menschen alles verloren hätten. Der Heilige Abend sei üblicherweise der geschäftigste Tag des Jahres. „Normalerweise findet man keinen einzigen Platz mehr zum Sitzen, wir sind von morgens bis Mitternacht voll.“ Heuer sei nur ein Tisch von Journalisten besetzt, die sich eine Pause vom Regen gönnten. Salameh schätzte, dass es auch nach Kriegsende noch ein Jahr dauern werde, bis der Tourismus in Bethlehem wieder normal angelaufen sei.
Die Absage der Weihnachtsfeierlichkeiten ist ein schwerer Schlag für die Wirtschaft Bethlehems. Der Tourismus macht schätzungsweise 70 Prozent des Stadteinkommens aus – der Löwenanteil während der Weihnachtszeit.
Wo sonst Tausende Touristinnen und Touristen flanieren, herrscht nun Leere auf dem Krippenplatz in BethlehemDa viele große Fluggesellschaften Flüge nach Israel strichen, kommen nur wenige Ausländerinnen und Ausländer zu Besuch. Nach Angaben örtlicher Beamter mussten über 70 Hotels in Bethlehem schließen, wodurch Tausende Menschen arbeitslos wurden.
Religiöse Feiern minimalDie Kämpfe in Gaza beeinträchtigten auch das Leben im Westjordanland. Seit dem Überfall der Hamas auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten am 7. Oktober ist die Zufahrt nach Bethlehem und zu anderen palästinensischen Städten im israelisch besetzten Gebiet schwierig. Lange Autokolonnen warten darauf, militärische Kontrollpunkte zu passieren.
Angesichts der Lage wurden auch die religiösen Feiern stark eingeschränkt. Am Sonntag begann eine deutlich kleinere Weihnachtsprozession als üblich, sie wurde vom lateinischen Patriarchen von Jerusalem aus zur Geburtskirche geleitet. Kardinal Pierbatista Pizzaballa als höchster Vertreter der katholischen Kirche im Heiligen Land wurde nur von wenigen Franziskanern und einigen anderen Gläubigen bei der kurzen Autofahrt in das einige Kilometer südlich gelegene Bethlehem begleitet.
Bodeneinsatz in Gazastreifen ausgeweitetUngeachtet der Feiertage gehen die Kämpfe in Gaza weiter. Israels Armee weitete ihren Bodeneinsatz am Wochenende nach eigenen Angaben noch aus. Wie Armeesprecher Daniel Hagari mitteilte, seien die Truppen in „komplexe Gefechte in dicht besiedelten Gebieten“ verwickelt. Sie würden dabei in weitere Hochburgen der Hamas vordringen. Das Militär teilte auch mit, einen ranghohen Hamas-Funktionär, der für deren Waffennachschub verantwortlich gewesen sei, getötet zu haben.
Die israelische Armee hat ihren Bodeneinsatz im Gazastreifen am Wochenende nach eigenen Angaben ausgeweitet. Bisher hätte die Bodentruppen etwa 30.000 Sprengkörper, darunter Panzerabwehrraketen und Raketen im Besitz der islamistischen Hamas, zerstört oder beschlagnahmt.
Die Soldaten kämpften weiter in dicht besiedelten Gebieten wie der südlichen Stadt Chan Junis und spürten vor allem in den Tunneln im Untergrund „terroristische Infrastrukturen“ auf, so der Armeesprecher. Daher habe man die technischen Kräfte deutlich verstärkt. Die Kapazitäten der dort kämpfenden Division würden in den kommenden Tagen weiter ausgebaut. Die Zerstörung der Tunnel sei zeitaufwendig.
Biden pochte auf Schutz der ZivilbevölkerungLaut einer Mitteilung des Weißen Hauses erörterte US-Präsident Joe Biden unterdessen in einem Telefongespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu „die Ziele und Phasen“ der Militäraktion Israels im Gazastreifen. Biden habe dabei die „kritische Notwendigkeit“ betont, die Zivilbevölkerung und die Unterstützer der humanitären Hilfsaktion zu schützen. Es sei sehr wichtig, Zivilistinnen und Zivilisten zu erlauben, sich aus Kampfgebieten zu entfernen, hieß es. Biden und Netanjahu hätten zudem über die Bedeutung der Freilassung aller verbleibenden Geiseln gesprochen, so das Weiße Haus.
Einen Bericht, wonach Israel auf Druck der USA auf eine Ausweitung des Krieges auf den Libanon verzichte, wies Netanjahu am Sonntag zurück. Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, dass Netanjahu von Biden überzeugt wurde, die islamistische Hisbollah-Miliz im Libanon nicht anzugreifen. „Ich habe unwahre Veröffentlichungen gesehen, die behaupten, dass uns die USA an Einsätzen in der Region gehindert haben und hindern“, so Netanjahu jedoch. „Das ist nicht wahr. Israel ist ein souveräner Staat.“
Kämpfe im Norden dauern anDementsprechend hielten am Sonntag auch im Norden des Gazastreifens die Kämpfe an. Im Gebiet um die Stadt Dschabalja im Norden der Küstenregion werde weiter gekämpft, berichteten Anwohner und palästinensische Medien. Die Zone sei in der Nacht von der israelischen Luftwaffe bombardiert worden. Israel hat nach eigenen Angaben den Norden des Gazastreifens fast vollständig unter seine Kontrolle gebracht.