Kampf gegen Hisbollah: Israels Armee greift Ziel in Beirut an
Kampf gegen Hisbollah
Nach den gezielten Detonationen von Pagern und Walkie-Talkies eskaliert die Konfrontation zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah zunehmend. Nach gegenseitigen Angriffen tötete Israels Armee am Freitag bei einem Luftangriff auf Beirut den ranghöchsten noch verbliebenen Kommandanten der Hisbollah. Alle Bemühungen des Westens und der UNO, zur Beruhigung beizutragen, versanden.
Online seit heute, 14.38 Uhr (Update: 18.44 Uhr)
Die israelische Armee bestätigte die Tötung des Kommandanten der Radwan-Eliteeinheit, Ibrahim Akil. Zunächst war die Tötung Akils von der radikalislamischen Hisbollah vermeldet worden. Akil war laut Angaben der proiranischen Miliz der zweithöchste Kommandant nach dem im Juli bei einem gezielten israelischen Angriff getöteten Militärchef Fuad Schukr.
Akil sowie andere hochrangige Mitglieder der Miliz seien „eliminiert“ worden, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Laut Israel wurden neben Akil zehn weitere ranghohe Hisbollah-Kommandanten getötet. Kampfflugzeuge der israelischen Luftstreitkräfte hätten den „gezielten“ Angriff in der libanesischen Hauptstadt ausgeführt. „Diese Eliminierung dient dem Schutz der Bürger Israels“, sagte ein Sprecher auf einer Pressekonferenz. Israel strebe keine regionale Eskalation an.
Zwei Explosionen im Süden BeirutsAus Sicherheitskreisen im Libanon hatte es davor geheißen, ein Luftangriff habe eine Hochburg der Hisbollah im Süden der Stadt getroffen. Der anonymen Quelle zufolge erfolgte der Angriff nahe der in einem Beiruter Vorort gelegenen Al-Kaim-Moschee. Laut Augenzeugen gab es zwei Explosionen, auf den Straßen herrschte Panik. Mehrere Krankenwagen waren im Einsatz. Das libanesische Gesundheitsministerium sprach von mehreren Toten und Dutzenden Verletzten.
Davor von explodierendem Pager verletzt wordenAkil wurde Informationen aus Beirut zufolge erst am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem er bei der Attacke auf technische Geräte der Hisbollah verletzt worden war. Auf Akil war ein Kopfgeld von sieben Mio. US-Dollar (6,3 Mio. Euro) ausgesetzt.
Der geschäftsführende Premier des Libanon, Nadschib Mikati, verurteilte den israelischen Angriff scharf. Israel lege „keinen Wert auf humanitäre, rechtliche oder moralische Werte“, sagte er. Stattdessen schreite die israelische Regierung mit etwas voran, „was einem Völkermord ähnelt“. Mikati rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, einen klaren Standpunkt gegen die „schrecklichen Massaker“ Israels einzunehmen.
140 Raketen auf IsraelZuvor hatte es am Freitag zahlreiche Raketenangriffe aus dem Libanon auf Israel gegeben. Die Hisbollah hatte rund 140 Raketen abgefeuert, etliche wurden abgefangen, hieß es von der israelischen Armee. Einwohnerinnen und Einwohner zahlreicher Orte wurden dazu aufgerufen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben. Medienberichten zufolge brachen durch den Beschuss Brände aus, Berichte über Verletzte gab es vorerst nicht.
Im Süden Beiruts wurde ein „gezielter Angriff“ ausgeführtDie Hisbollah, die Israel das Existenzrecht abspricht, reklamierte mehrere Angriffe für sich. Die proiranische Gruppe sprach in einigen Fällen von „Salven an Katjuscha-Raketen“ als Vergeltung, die sie Richtung Israel abgeschossen habe.
Warnung wegen geplanter „Aktivitäten“Israels Armee hatte am Donnerstag in mehreren Angriffswellen laut Eigenangaben rund 100 Raketenabschussrampen der Miliz im Nachbarland angegriffen. Den israelischen Angaben zufolge waren bei dem Großangriff auch „Terrorinfrastruktur“ und ein Waffendepot der Hisbollah im Südlibanon angegriffen worden. Libanesische Sicherheitskreise sprachen von einer der schwersten israelischen Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober.
Nach den Luftangriffen forderte die israelische Armee Bewohner und Bewohnerinnen mehrerer Gemeinden und Städte im Norden auf, sich in der Nähe von Luftschutzbunkern aufzuhalten. Zivilisten sollen sich außerdem am Wochenende von militärischen Übungsgebieten im Norden fernhalten. Das Militär werde dort „Aktivitäten“ ausführen, für Unbefugte herrsche daher Lebensgefahr.
Bewohner im Norden sollen zurückkehren könnenVertreter des israelischen Militärs wollten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Abend bei Sicherheitsberatungen Pläne für die Front im Norden vorstellen, berichteten israelische Medien.
Wie die Times of Israel aus Militärkreisen erfahren haben will, möchte die Armee die Rückkehr der Zehntausenden aus dem Norden geflüchteten Bewohner und Bewohnerinnen in ihre Häuser erreichen, ohne jedoch den Konflikt mit der Hisbollah zu einem regionalen Krieg auszuweiten. Israel hatte kürzlich die Rückkehr der Bewohner in den Norden zu einem Kriegsziel erklärt.
Tausende Pager gingen am Dienstag im Libanon in die Luft Appelle zur DeeskalationViele Seiten riefen zur Deeskalation auf, zuletzt auch die UNO-Blauhelmmission (UNIFIL), der auch rund 160 Bundesheersoldaten angehören. „Wir sind besorgt über die zunehmende Eskalation jenseits der Blauen Linie und fordern alle Akteure auf, unverzüglich zu deeskalieren“, sagte UNIFIL-Sprecher Andrea Tenenti der Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf die Grenzlinie zwischen dem Libanon und Israel. In den vergangenen zwölf Stunden habe es eine „starke Intensivierung der Feindseligkeiten“ in dem UNIFIL-Einsatzgebiet gegeben – gefordert wurde eine „sofortige Deeskalation“.
Die USA, Frankreich, Großbritannien und Italien bemühten sich bereits zuvor um Beruhigung. Bei einem Treffen ranghoher westlicher Diplomaten zur Lage im Nahen Osten in Paris riefen US-Außenminister Antony Blinken und sein französischer Amtskollege Stephane Sejourne alle Parteien zur Deeskalation auf.
Die US-Regierung hielt es am Freitag trotz der jüngsten Angriffe für möglich, einen Krieg zwischen beiden Seiten abzuwenden. „Wir glauben immer noch, dass es Zeit und Raum für eine diplomatische Lösung gibt, und wir halten dies für den besten Weg“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Ein Krieg an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon sei „nicht unvermeidlich, und wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um ihn zu verhindern“.