Beate Meinl-Reisinger: "Ich bin ein bissl ratlos und auch wütend"

7 Aug 2023

Der ORF hat für seine heurigen Sommergespräche das Parlament als Austragungsort gewählt. Das ist in einer Zeit, in der sich Politik immer häufiger in Inszenierungen verliert, kein schlechter Schachzug.

Beate Meinl-Reisinger - Figure 1
Foto nachrichten.at

Die Premiere Montagabend mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte auch gleich zu Beginn einen starken Moment. ORF-Journalistin Susanne Schnabl und Meinl-Reisinger plauderten sich im Plenarsaal des Nationalrats warm für das eigentliche Interview – und dabei bekannte die Neos-Chefin, dass sie eine Äußerung vom Sommergespräch des Vorjahres so nicht mehr tätigen würde. Damals hatte sie die FPÖ wegen ihrer wohlwollenden Haltung gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin "Volksverräter" genannt. "Das war falsch, dass ich diesen Begriff verwendet habe. Aber Tatsache ist, dass sie unsere Werte verraten haben, da bleibe ich hart", sagte Meinl-Reisinger am Montag.

Zum Sommergespräch wechselten Schnabl und Meinl-Reisinger dann in das etwas schummrig beleuchtete Sprechzimmer 23 des Parlaments. Zwei Sessel, ein Tisch, eine Stehlampe. Ein Ort, an den sich die Mandatare zurückziehen können, wenn sie ungestört telefonieren oder Vieraugengespräche führen wollen. "Ich bin ein bissl ratlos und auch wütend", sagte Meinl-Reisinger mit Blick auf die aktuelle Regierungspolitik. Bargeld in die Verfassung, Gender-Diskussion etc., dies alles seien "Scheindebatten", die die Regierung führe, während man die tatsächlichen Probleme wie Inflation, Pensionen oder Schwächen im Bildungssystem nicht anpacke. "Ich möchte, dass die Menschen in Österreich weniger Steuern zahlen müssen", sagte Meinl-Reisinger. Die Steuerlast sei unverantwortlich hoch. "47 Prozent auf den Faktor Arbeit", hier brauche es Entlastung. "Der Finanzminister muss endlich seinen Job machen", forderte Meinl-Reisinger.

Wünschen der SPÖ nach Erbschafts- oder Vermögenssteuern erteilte sie eine Absage. "Die Vermögenssteuer, die der Herr Babler will, hat er schon dreimal ausgegeben." Bei diesem Thema gab es auch gleich eine Ansage Meinl-Reisingers in Richtung möglicher Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2024: Neue oder höhere Steuern wären für die Neos eine "rote Linie".

Atmosphäre: unentspannt

Sommergespräche gelten in der Regel als journalistisches Format, das nicht dem straffen, inhaltlich getriebenen Frage-Antwort-Schema folgt, sondern auch Raum lässt für tiefere Einblicke, Menschliches und eine Prise Lockerheit.

Letzteres fehlte am Montagabend völlig. Die Atmosphäre zwischen Schnabl und Meinl-Reisinger war konstant unentspannt. "Und wos wor des jetzt grod?", fragte an einer Stelle Meinl-Reisinger, als Schnabl sie zu einer Konkretisierung aufforderte. Schnabl wiederum schnitt Meinl-Reisingers Redefluss mit einem "Ich muss Sie an dieser Stelle einbremsen" ab. Meinl-Resinger stichelte wenige Minuten später mit "Das müssen Sie mir nicht erklären" und mit "Da sind Sie jetzt nicht ganz up to date" zurück.

Fazit: Trotz der geladenen Stimmung fehlte dem Gespräch ein zündender Funke.

Neutralität, Salzburg, Arbeit

Beim Thema Neutralität forderte Meinl-Reisinger eine ehrliche Diskussion: "Unser verstaubtes Verständnis von Neutralität ist überholt."

Dass die Neos bei der Wahl in Salzburg aus dem Landtag ausgeschieden sind, sei "bitteres Lehrgeld". Derzeit seien die Umfragen im Bund gut."

Vollzeitarbeit soll belohnt werden", so die Neos-Chefin. Dass Finanzminister Magnus Brunner (VP) Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen im Herbst gefordert hat, quittierte sie mit Unverständnis: "Ja, geht’s dem noch gut?" Brunner sei mitverantwortlich dafür, dass die Inflation in Österreich so hoch sei.

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Stellvertretender Chefredakteur, Leiter Politikredaktion

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