Manuel Neuer und der FC Bayern nach dem Pokalaus gegen Bayer ...
866 Spiele mussten wir also warten, um das recht zweifelhafte Vergnügen zu haben, nach Manuel Neuers Reklamierarm auch seine doppelhändige War-Doch-Nix-Geste kennenzulernen.
Diese zeigte Neuer, verbunden mit ein paar Schulterzuckern und betonter Unschuldsmiene, nach seinem mit Rot geahndeten Foul an Jeremy Frimpong beim 0:1 des FC Bayern München im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Bayer Leverkusen. Es war Neuers erster Platzverweis in seiner sehr langen Profikarriere.
Und natürlich war es ein denkbar schlechter Moment für diese Premiere: Pokalspiel gegen den amtierenden Double-Sieger, noch dazu eine Partie, in der Neuers Bayern richtig gut begonnen hatten und freilich auch nach dem Platzverweis über weite Strecken deutlich mehr vom Spiel hatten und stärker waren.
Aber am Ende eben: Wieder das ziemlich frühe Aus im Pokal. Wenn im Juni 2025 das Finale in Berlin ausgetragen wird, werden die Rekordpokalsieger aus München zum fünften Mal in Serie nicht dabei sein. Und außerdem: Wieder kein Erfolgserlebnis gegen Leverkusen, wieder ein Ergebnis-Dämpfer in einem großen Spiel.
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Doch das Problem an Neuers "spielentscheidender" Szene (Neuer) und am Pokalaus war nicht der Platzverweis. Und auch nicht das Pokalaus. Das Problem war der unwürdige Umgang von Neuer und später auch Sportvorstand Max Eberl mit dem Ganzen.
Doch zurück zur Szene, die zu Neuers Platzverweis führte: Der pfeilschnelle Jeremy Frimpong erlief zunächst einen richtig gut getimten (und freilich recht unbedrängt gespielten) langen Pass von Jonathan Tah und war drauf und dran, Bayerns Rechtsverteidiger Konrad Laimer (Lest auch: Die Einzelkritik zum Spiel) davonzulaufen.
Doch ehe Laimer überhaupt richtig versuchen konnte, Frimpong womöglich noch aus dem Lauf oder zumindest aus dem Konzept zu bringen, rauschte mit Karacho Neuer heran. Das wirkte wegen Laimers Nähe ziemlich unnötig und der Lauf war mindestens schlecht getimt von Neuer. Eine Fehleinschätzung, wie sie passieren kann. Wie ein Formel-1-Fahrer, der weiß, dass er gleich crashen wird und das Unausweichliche akzeptiert, krachte der Bayern-Keeper in den Leverkusener. Nur, dass er nicht nur den Crash in Kauf nahm, sondern kurz vor dem Zusammenprall auch seine Schulter eindrehte und Frimpong komplett abräumte.
Man mag darüber streiten, ob es sich bei dem Foul um eine Notbremse handelte, wie Schiedsrichter Harm Osmers laut Bayerns-Vorstandsboss Max Eberl die Szene bewertete. Laimer war nah dran, auch Dayot Upamecano war noch in Laufnähe. Zudem hatte Frimpong den Ball noch nicht wirklich unter Kontrolle. Was aber völlig unstrittig sein sollte: Neuers Aktion war rüde, es handelte sich bei dem Foul um rohes Spiel. Sicher, auch solche heftigen Fouls können im Eifer des Gefechts passieren und man muss Neuer auch keine böse Absicht unterstellen. Womöglich wollte Neuer Frimpong durch das Eindrehen seiner Schulter wirklich schützen und vor Schlimmerem bewahren. Doch unabhängig davon, was bleibt: Es war eine "unstrittige" Rote Karte, wie etwa auch Bundestrainer Julian Nagelsmann feststellte.
Dass Neuer das selbst nicht wahrhaben wollte, noch mit Schiedsrichter Harm Osmers diskutierte und sich augenscheinlich nicht bei Frimpong erkundigte, wie es ihm ging: Das spricht nicht wirklich für seinen Sportsgeist. Doch auch das kann in solchen Momenten passieren.
Allerdings beharrte Neuer auch mehr als 90 Minuten nach der fatalen Szene noch immer darauf, dass sein Foul "ganz sicher nicht heftig" und auch "kein aktives Foul" gewesen sei. Neuer entschuldigte sich zwar bei seiner Mannschaft für die Rote Karte und nahm die Niederlage so auf seine Kappe, versteifte sich aber darauf, dass Frimpong in "mich rein läuft" und versucht habe, "das dankend anzunehmen".
Das ist seiner schlicht nicht würdig! Neuer, so wirkt es, scheint also nicht nur bei Gegentoren (Reklamierarm!) ein Problem mit seiner Selbstwahrnehmung zu haben.
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Doch Neuer war nicht der einzige Bayer mit einer verzerrten Sicht und einer zweifelhaften Reaktion auf das Geschehene an diesem Abend. Eberl hatte zwar inhaltlich durchaus einen Punkt, als er mit Verve erklärte, dass man "ein Mann weniger" gewesen sei am Dienstag: "Ich hoffe, das ist auch für allen so angekommen. Auch wenn man es auf dem Platz nicht gesehen hat, haben wir mit einem Mann weniger gespielt. Deswegen ist dieses Spiel raus aus der ganzen anderen Statistik."
Diese ganze andere Statistik sind die ausbaufähigen Resultate gegen Top-Gegner in dieser Saison. Als ein Reporter noch einmal nachhakte, brach es aus Eberl heraus: "Ich weiß, dass Sie sehr kritisch sind. Ich weiß, dass Sie alles in Frage stellen. Das ist mir relativ scheißegal!"Es war nicht die erste Pamp-Attacke Eberls in dieser Saison und wer noch Uli Hoeneß als Manager miterlebt hat, ist ganz andere Ausbrüche in der Mixed Zone gewohnt. Aber: Die Nullerjahre dieses Jahrtausends sind und auch die Zehnerjahre sind schon seit längerer Zeit vorbei, und es ist ja nun wirklich nicht so, dass die Ergebnisbilanz in großen Spielen in dieser Saison sonderlich gut wäre bisher.
"Das ist absolut richtig in der bisherigen Saison. Was waren bisher die großen Spiele? Zweimal Leverkusen, da konnten wir keins gewinnen und wir hatten eigentlich Losglück, dass wir Leverkusen zu Hause bekommen. Am Ende des Tages kommen wir da nicht weiter. Wir haben Dortmund nicht gewonnen, Frankfurt nicht gewonnen, Barcelona nicht gewonnen. Wenn man rein die Ergebnisse sieht, dann ist es natürlich ernüchternd", sagte etwa Joshua Kimmich.
Wie man auch in der Niederlage Größe bewahren und ohne Schuldzuweisungen Rote Karten analysieren kann, zeigte übrigens FCB-Trainer Vincent Kompany. "In solchen Spielen musst du permanent Entscheidungen treffen. Es war knapp, eine 50/50-Situation. Konrad Laimer war noch dabei. Manuel hat eine Entscheidung getroffen, das ist Fußball, das gehört dazu", sagte er zum Platzverweis.
Und zum Pokalaus? "Diese Leistung heute war etwas Besonderes. Wie wir zu Zehnt proaktiv agiert haben! Wenn dieses Gefühl bestehen bleibt, dann werden wir viele Spiele gewinnen. Aber den Pokal werden wir nicht mehr gewinnen."