Frenkie de Jong beim FC Barcelona: Endlich der Spieler, den Barça ...
Nach vier mehr oder weniger enttäuschenden Jahren hat Frenkie de Jong anscheinend endlich die passende Rolle beim FC Barcelona gefunden. So ist er einer der besten Mittelfeldspieler der Welt.
Mitte August gab Frenkie de Jong der katalanischen Zeitung El Periodico ein Interview. Der Niederländer gab darin zu, dass er Barcelona in einem wilden Transfer-Sommer 2022 beinahe verlassen hätte. Er sei sich all der Kritik bewusst, die er in seinen ersten Jahren bei Barça des Öfteren erhalten hatte. Doch er machte in dem Gespräch auch klar, dass er nie für einen anderen Klub spielen wolle.
All das sagte der Mittelfeldspieler sicherlich auch, weil er nach wie vor auf einen neuen Vertrag hofft, sein aktueller läuft bis 2026. Die Blaugrana könnten demnächst bereit sein, ihm diesen anzubieten. Und klar, gelogen waren seine Aussagen auch nicht.
De Jongs vier Jahre im Camp Nou sind nicht gerade nach Plan verlaufen. Er kostete die Blaugrana 86 Millionen Euro und schien vom ersten Tag an doch nicht so recht zu passen.
Zunächst sollte er eine Rolle ausfüllen, für die er nicht geschaffen war. Dann zeigte er auf einer Position, die ihm am besten zu liegen schien, überraschend schwache Leistungen. Einmal wurde er beinahe an Manchester United verkauft. Doch dank einiger taktischer Umstellungen von Trainer Xavi und einer untypischen Geduld hat de Jong nun seinen Platz in der Mannschaft gefunden.
Der einstige Ajax-Mittelfeldspieler (2016 bis 2019) verfügte schon immer über einzigartige Fähigkeiten. Um sie zu zeigen, brauchte er einen Trainer, der sein System anpasst, um das Beste aus ihm herauszuholen.
Xavi ist genau das gelungen, er hat de Jong zu einem unverzichtbaren Teil der Barça-Mannschaft gemacht. De Jong füllt eine Nischenrolle in einem erfolgreichen Team aus und ist mittlerweile jeden einzelnen Cent der exorbitanten Ablöse wert.
Als de Jong beim FC Barcelona ankam, war er ein strahlendes Talent, welches den Verein gut für das baldige Karriereende von Sergio Busquets aufstellen sollte.
Er war einer der Top-Spieler einer aufregenden Ajax-Mannschaft, die durch das Weiterkommen gegen Tottenham Hotspur das Champions-League-Finale 2019 erreicht hatte. De Jong war der Maestro im Zentrum. Im Achtelfinale zeigte der damals 21-Jährige gegen Barças Erzrivalen Real Madrid eine unglaubliche Leistung, drehte und wand sich durch deren Weltklasse-Mittelfeld.
Sein Preisschild trieb das in die Höhe - de Jong hatte nur eine einzige herausragende Saison im Ajax-Trikot gespielt -, aber die Blaugrana war schon seit mehr als einem Jahr hinter ihm her. Das war natürlich noch das "alte" Barcelona (2013 bis 2019), die ausgabefreudige Kreditkarten-Maschine, die keine Budgetbeschränkungen kannte. Außerdem wirkten 86 Millionen Euro im Vergleich zu den 160 Millionen Euro, die man nur wenige Monate zuvor für Philippe Coutinho ausgegeben hatte, geradezu lächerlich.
De Jong wiederum zeigte sich überglücklich über die Gerüchte. Zwischen Ajax und Barcelona gibt es seit langem eine familiäre Verbindung. Diese Cruyff'sche Verbindung ist eine der schönsten im modernen Fußball. De Jong war der bisher letzte, der davon profitierte.
"Ich bin sehr glücklich, endlich hier zu sein. Als Kind war es ein Traum von mir, bei Barça zu spielen. Jetzt bin ich hier, das ist großartig. Ich freue mich sehr darauf, zum ersten Mal den Rasen des Camp Nou zu betreten", erklärte der Niederländer bei seiner Ankunft.
Doch es wurde ziemlich schnell klar, dass er auf dem Feld nicht das hielt, was er versprochen hatte. Sein positiver Eindruck bei der Vorstellung vor den Medien verblasste. Obwohl de Jong ein solider Neuzugang zu sein schien, waren die übrigen Sommerverpflichtungen des FC Barcelona unberechenbar - und teuer.
Die Ankunft des unerfahrenen Brasilianers Malcom für 41 Millionen Euro und der rätselhafte Kauf von Antoine Griezmann für 120 Millionen Euro zeichneten das Bild eines Vereins, dem die Richtung fehlte.
Trainer Ernesto Valverde ließ die Blaugrana gut spielen, wurde aber im Januar 2020 nach der Niederlage im spanischen Superpokal entlassen. An seine Stelle trat der wenig überzeugende Quique Setien, der noch schlechter abschnitt als sein Vorgänger.
Der Führungsetage mangelte es am Sinn für logisches Denken. Das gipfelte in der legendären 2:8-Niederlage gegen den FC Bayern München im Viertelfinale in der Champions League. De Jong war Teil eines Mittelfelds, das von den Bayern zerrissen wurde. Er spielte die 90 Minuten durch, als die Blaugrana eine der verheerendsten Niederlagen ihrer Vereinsgeschichte erlitt. Setien wurde schnell entlassen und verklagte den Verein später noch wegen unrechtmäßiger Auflösung seines Vertrags.
Das war nicht das Barcelona, das sich de Jong wünschte und das er gekannt hatte.
Und von da an wurde es nicht viel besser. Barcelona erlebte in der Folge zwei miserable Spielzeiten, in denen Klublegende Lionel Messi ging, der Verein sich in den finanziellen Ruin stürzte und auf dem Spielfeld nur noch relativ wenig Erfolg hatte.
Der Sommer 2022 sollte so etwas wie eine Trendwende bringen. Mit geschickten Transfers - dank riskanter Finanztransaktionen -, um die Blaugrana wieder auf Kurs zu bringen. Doch dafür sollte de Jong geopfert werden.
Xavi war nicht besonders subtil in seinen Bemühungen, de Jong im Juli 2022 aus Katalonien zu vertreiben. Der Trainer setzte alles daran, dass der Mittelfeldspieler während der Vorbereitungstournee in den USA nicht auf seiner Wunsch-Position spielen konnte.
De Jong verbrachte die meiste Zeit der Vorbereitung auf der Position des Innenverteidigers und startete sogar im Clasico dort. Er stolperte ungeschickt auf seiner Position herum, was Real geschickt ausnutzte.
Das war sozusagen eine Botschaft. Nicht nur, dass de Jong in seiner dritten Saison in Katalonien nicht mehr in der Startelf stehen würde - er würde auch auf einer ungewohnten Position spielen müssen, von der sein Trainer wusste, dass sie nicht die richtige für ihn war.
Doch de Jong ließ sich nicht beirren. Berichten zufolge lehnte er einen Wechsel zu Manchester United ab - trotz der zahlreichen Bemühungen Barças, ihn loszuwerden - und schwor sich, um seinen Platz in der Mannschaft zu kämpfen.
Seine Entscheidung verblüffte viele im Verein. Und obwohl Joan Laporta später betonte, dass de Jong niemals verkauft werden sollte, nahmen sie ein enormes Angebot für ihn an. Sie waren also definitiv bereit, ihn für die passende Summe gehen zu lassen.
Die Statistiken deuten darauf hin, dass sich de Jong seit einigen Jahren kontinuierlich verbessert hat. Seine Zahlen bei der Passgenauigkeit, Balleroberung und seinem Abfangverhalten verbesserten sich 2021 erst und blieben 2022 konstant. Obwohl seine genaue Rolle und Position zur Debatte standen - und er sich einem vermeintlichen Kampf ums defensive Mittelfeld mit Sergio Busquets befand - gab es zumindest statistisch gesehen die Hoffnung, dass sich de Jong im Camp Nou weiterentwickelte.
Die Kultur des Vereins half ihm dabei jedoch nicht gerade. Ältere Spieler bekommen keine Zeit, um sich zu verbessern. Wer nicht gut genug ist, wird entweder auf die Tribüne geschickt oder verkauft. In manchen Momenten war de Jong wohl nur noch dabei, weil er so viel gekostet hatte.
Xavis taktische Anpassungen haben jedoch etwas in ihm ausgelöst. Der einstige Weltklasse-Mittelfeldspieler war schon lange davon überzeugt, dass auch de Jong ein Weltklassetalent ist und hatte extra ein System entwickelt, um das Beste aus ihm herauszuholen.
De Jong war schon lange davon fasziniert, als tief stehender Spielmacher eingesetzt zu werden - quasi als langfristiger Ersatz für Busquets. Aber er war nie wirklich der richtige Spieler dafür. Barça, so erkannte Xavi, brauchte eine bessere physische Präsenz auf dieser Position.
Stattdessen schuf der Trainer eine neue Position. Der Mittelfeldspieler hatte sich bei Ajax als Teil eines tief stehenden Duos bewährt und funktionierte am besten mit einem gelernten Defensivspieler an seiner Seite. De Jong wiederum sollte der Alleskönner sein. Jemand, der das Mitteldrittel dominiert und sich nur selten weit nach vorne wagt - mehr Luka Modric als Busquets.
Also bastelte Xavi am System herum und bat de Jong, auf der linken Seite des Mittelfelds aus einer tieferen Position heraus das Spiel aufzubauen - während er sich auf die Offensivkraft des linken Außenverteidigers Alejandro Balde und des aufgerückten Mittelfeldspielers Gavi verließ, um im letzten Drittel für Gefahr zu sorgen. Busquets hingegen wurde auf der rechten Seite eingesetzt und sollte weniger dribbeln, mehr verteidigen und vor allem den Ball so oft wie möglich zu de Jong abspielen.
Das Ergebnis war die bisher beste Saison von de Jong in Blau und Rot. Er schoss zwar keine Tore und gab keine Vorlagen. Aber das musste er auch nicht. Andere Zahlen belegten, dass de Jong die entscheidenden Fähigkeiten eines Mittelfeldspielers sehr gut beherrschte.
Grundsätzlich hatte er sehr viele Ballkontakte und suchte fast immer den Weg nach vorne. Seit seinem letzten Jahr bei Ajax hatte er die meisten progressiven Pässe in einer Saison gespielt - und das so effizient wie nie zuvor in seiner Karriere. Bei eigenem Ballbesitz bewegte er sich auch oft zum gegnerischen Tor und lief nicht zurück. Und, was vielleicht am wichtigsten ist, er sicherte den Ball immer öfter und hatte deutlich weniger Ballverluste.
Eine solche Kombination aus Ballsicherheit und Passstärke ist nur sehr wenigen Spielern im Weltfußball vorbehalten. Wohl nur Modric kann das besser - oder mit mehr Eleganz. Und vielleicht ist es genau das, was der Karriere von de Jong in Barcelona den Aufschwung brachte.
Vier Jahre lang war er ein interessanter Spieler mit einzigartigen Fähigkeiten - aber ohne die Möglichkeit, diese in einer erfolgreichen Mannschaft zu zeigen. Mittlerweile wird er perfekt in einem passenden System eingesetzt. Xavi hat quasi eine 'De Jong'-Rolle geschaffen.
Vielleicht darf er sich dort weiterhin entfalten. Bei Ajax war de Jong der nächste großartige Box-to-Box-Mittelfeldspieler aus einem Land, das zahlreiche Stars hervorgebracht hat.
Barcelona hat einige Jahre damit verbracht, ihn wieder zu seinem alten Selbst zu verhelfen - und war dabei vorerst gescheitert. Jetzt haben sie akzeptiert, dass er auch in anderer Rolle funktionieren kann.
Und das definiert seinen wahren Wert, das macht einen ersetzbaren Spieler zu einem Unverzichtbaren.