Baerbock und Klartextreden der Außenminister: „Es wird Katzen ...
Stand: 19.09.2023, 16:40 Uhr
Von: Michael Hesse
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Auf dem Weg zur nächsten Ansage: Annalena Baerbock in den Straßen von New York. © photothek/ImagoAußenpolitik verträgt durchaus Klartext. Annalena Baerbock ist da keine Ausnahme, sondern bestätigt eher die Regel.
Die Kunst, diplomatisch zu sein, ist in Zeiten wie diesen nicht mehr unbedingt gefragt. Heute applaudiert die Öffentlichkeit eher, wenn endlich einmal Klartext geredet wird. Eine Freundin klarer Ansagen ist auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Zuletzt hatte sie dies in einem Interview mit dem ultra-konservativen US-Sender Fox News unterstrichen.
Als sie über den chinesischen Präsidenten Xi Jinping sprach, nannte sie ihn ganz offenen einen „Diktator“. Im Wortlaut sagte sie: „Wenn (Russlands Präsident Wladimir) Putin diesen Krieg gewinnen würde, was wäre das für ein Zeichen für andere Diktatoren auf der Welt, wie Xi, wie den chinesischen Präsidenten? Deshalb muss die Ukraine diesen Krieg gewinnen.“
Das saß. Ihre Regierung sei „zutiefst unzufrieden“, sagte die chinesische Außenamtssprecherin Mao Ning. China bestellte die deutsche Botschafterin ein, um sich über Baerbocks Äußerung zu beklagen. Eine wenig überraschende Reaktion. Aber auch in Peking wird man wissen, dass die Grünen-Politikerin seit Amtsantritt wenig Zweifel aufkommen lassen will, was ihre Position angeht. Gleich, ob Baerbock in Ankara, Moskau oder Peking auftritt, von ihr ist stets klare Kante zu erwarten, was die Einordnung von Menschenrechten oder demokratischen Standards angeht. Baerbock hält im Grunde genommen, was sie vor Amtsantritt gesagt hat, nämlich eine wertebasierte Außenpolitik zu verfolgen.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, sagte dem RND: Es sei „unprofessionell, sinnlos einen unserer wichtigsten Handelspartner zu attackieren“. Andererseits hätte man sich von manchen Diplomaten auch durchaus schon ein offeneres Wort gewünscht. Als etwa Colin Powell 2003 vor den UN seine Lügen über Waffenvernichtungsmittel im Irak vortrug, saßen viele Diplomaten im Saal und schwiegen - obwohl sie von ihren Nachrichtendiensten völlig andere Informationen hatten.
Im Allgemeinen hat man als Außenminister oder Außenministerin auch mehr Spielräume auf dem diplomatischen Feld als Regierungschefs. Letztere stehen meistens für die außenpolitische Agenda ihres Landes, das konnte man besonders bei den deutschen Kanzlern bis zu Kanzlerin Angela Merkel gut erkennen. Während der SPD-Politiker Sigmar Gabriel in der Funktion als höchster Diplomat seines Landes als „Klartext-Kümmerer“ in die Annalen einging, verfolgte Merkel eine eher ruhig-gemäßigte Strategie gegenüber eiskalten Machthabern wie Putin oder auch Xi Jinping. Letzterer feierte Merkel als „große Freundin Chinas“, was aus demokratischer Sicht nicht zwingend ein Kompliment sein muss. Gabriels Auftritte in Ankara und seine klare Ansprache gegenüber dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan haben vielen Deutschen gefallen. Doch die Klartext-Diplomatie wird so lange herbeigewünscht, wie keine wirtschaftlich negativen Folgen zu befürchten sind. Im Falle Chinas könnte das aus Sicht derer, die Baerbock kritisieren, anders sein.
Allerdings gibt es auch grundsätzliche Zweifel an der Kompetenz deutscher Außenpolitiker und Außenpolitikerinnen. Man gelte schnell als außenpolitischer „Experte“, wird kritisiert. Der Reiz ist groß, denn ganz sicher kann man auf diesem Feld sehr beliebt werden, was Umfragewerte immer wieder zeigen.
Willy Brandt (SPD) ist historisch hierfür ein gutes Beispiel. Ein noch besseres der außenpolitische Fuchs Hans-Dietrich Genscher (FDP). Auch Joschka Fischer (Grüne) schnitt unter den Außenpolitikern bestens ab. Eher eine Katastrophe war Guido Westerwelle von der FDP. Hart in der Kritik steht wegen seiner Russland-Nähe immer noch Frank-Walter Steinmeier (SPD), der nunmehr Bundespräsident ist.
Klare Ansagen hat es immer wieder gegeben. Man denke etwa an Klaus Kinkel von der FDP. Als in der EU etwas nicht so lief, wie er sich das vorstellte, soll er gedroht haben, entweder einschwenken „oder es wird Katzen hageln“, sprich: ein politisches Gewitter aufziehen. Genschers Ziehsohn sagte vielsagend von sich selbst: „Ich war sehr unbequem.“