Baerbock in Aserbaidschan: Zwischen Klimagipfel und ...
Stand: 23.11.2024 11:39 Uhr
Auf der Klimakonferenz in Baku bemüht sich Außenministerin Baerbock, Einfluss zu nehmen. Auf ihrer Agenda stehen nicht nur Klimathemen, sondern auch die Menschenrechtslage im Gastgeberland. Das stößt auch auf Kritik.
Auf dieser Reise läuft für Annalena Baerbock vieles nicht wie geplant. Kaum in Baku angekommen ist sie erkrankt, will dann zunächst vor Konferenzende abreisen, macht aber wieder eine Kehrtwende. Denn auf der vom autoritären Aserbaidschan organisierten Weltklimakonferenz läuft es gar nicht so, wie Baerbock sich das vorstellt. Trotz angeschlagener Gesundheit will sie selbst verhandeln.
Doch Baerbock ist nicht nur als Klima-Verhandlerin in Baku, sondern auch als Außenministerin mit besonderem Schwerpunkt auf Menschenrechte. "Die Menschenrechtslage in Aserbaidschan ist besorgniserregend", hatte sie am Vortag auf Nachfrage in einer Pressekonferenz gesagt. Und: "Die Verhaftungen von Medienschaffenden, Aktivistinnen und Aktivisten sind sehr bedenklich."
Zwischen Diplomatie und BrüskierungFür solche öffentlichen Aussagen erntet Baerbock regelmäßig nicht nur Lob. Kritiker werfen ihr vor, ausländische Regierungen so öffentlich zu brüskieren und damit die Zusammenarbeit zu erschweren. Doch das sieht Baerbock offensichtlich anders.
Denn ausgerechnet am geschäftigen Freitagnachmittag, dem letzten offiziellen Konferenztag, schiebt sich Baerbocks Fahrzeugkolonne mit Polizei-Begleitschutz durch den dichten Feierabendverkehr von Baku. Die Kolonne macht Halt im Stadtzentrum. In einem engen Hinterhof steigt die Ministerin eine steile Stahl-Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock eines alten Mehrfamilienhauses. Hier trifft sie die Redaktion der aserbaidschanischen Nachrichtenagentur Turan. Gegründet 1990, nennt sie sich selbst eine der führenden unabhängigen Nachrichtenagenturen der ehemaligen Sowjetunion.
Treffen mit RegierungskritikernEs gibt Tee, Kekse und Rocherkugeln. Drei ältere Herren und eine Dame sitzen um einen kleinen Tisch, die Ministerin an der Stirnseite. Direktor Mehman Aliyev und ein politischer Redakteur berichten ihr, wie schwer ihnen ihre Arbeit in Aserbaidschan gemacht werde. Festnahmen, keine Sicherheit - es werde immer schlimmer.
An der vergilbten Tapete hängt ein Schild auf Englisch: "Jeder Journalist hat ein Recht, seine Arbeit zu machen, ohne Angst vor Polizeirazzien". Auch Regierungskritiker Gubad Ibadoglu ist bei dem Treffen dabei, dessen Fall mehrfach internationale Aufmerksamkeit erregt hat. Ibadoghlu ist mit einer Ausreisesperre belegt.
Druck auf mehreren EbenenDas Prinzip der autoritären aserbaidschanischen Führung: Wer sich weigert, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, der landet im Gefängnis, wird geschlagen oder Familienangehörigen stößt etwas zu. Die Alternative für viele: Selbstzensur.
Der Druck erfolgt auch wirtschaftlich: Werbung schalten ist für kritische Medien verboten, über Online-Abos können die Journalisten aber kaum Geld einnehmen. Baerbock nimmt sich fast eine Stunde Zeit, hört zu, fragt nach.
Friedensvertrag zwischen Aserbaidschan und Armenien?Schon vorher hatte sie sich mit Aserbaidschan beschäftigt, Verhandlungen zwischen den Außenministern Aserbaidschans und Armeniens in Berlin organisiert. Ein Friedensvertrag steht offenbar kurz vor dem Abschluss. Jahrzehntelang hatten beide Länder um das Gebiet Bergkarabach gestritten, den Konflikt löste Aserbaidschan schließlich militärisch in seinem Sinne.
Baerbock wird klar, dass sich die Journalisten mehr internationale Aufmerksamkeit für ihre Arbeit wünschen. Es ist ein Thema, das die aserbaidschanische COP-Präsidentschaft lieber vermieden hätte. Auf die Frage einer Journalistin von "Democracy Now News", warum es Festnahmen von Antikorruptionsaktivisten gebe, hieß es nur, man werde Fälle der Strafverfolgung nicht kommentieren und die Journalisten sollten doch Fragen zur Klimakonferenz stellen.
Keine Angst vor KonfliktenBaerbock scheut diesen Konflikt nicht und nimmt damit auch Kritik an ihrem Vorgehen in Kauf. Sie verlässt die enge aserbaidschanische Wohnung, lässt mit ihrer etwa zehn Fahrzeuge umfassenden Kolonne die Lichter des Stadtzentrums hinter sich und schaltet wieder um auf Weltklimapolitik. In wenigen Minuten erwartet sie der UN-Generalsekretär.
Aus ihrer Delegation heißt es, dass Baerbock bei einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen die schwierige Menschenrechtslage angesprochen habe und sich für Einzelfälle eingesetzt habe. Außerdem hat sie sich demnach dafür eingesetzt, dass Einreiseverbote für 76 Abgeordnete aus europäischen Staaten aufgehoben werden, darunter auch Bundestagsabgeordnete.