„Sommergespräche“: Babler kritisiert „Bremser“ in der SPÖ

26 Aug 2024
Babler

„Sommergespräche“

Beim vorletzten ORF-„Sommergespräch“ ist am Montagabend SPÖ-Chef Andreas Babler zu Gast bei Martin Thür gewesen. Nach dem Rücktritt des Linzer Bürgermeisters Klaus Luger sowie der Kritik von SPÖ-Urgestein Doris Bures am SPÖ-Wahlprogramm verteidigte Babler den „sehr offenen Prozess“ bei der Entwicklung des Programms und äußerte Kritik an jenen, die glauben, „bremsen zu müssen“. Sein Wahlziel sei nach wie vor, Bundeskanzler zu werden.

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Es beschäftige ihn, dass das SPÖ-Papier, an dem Bures den „Verdacht der Unernsthaftigkeit“ kritisiert hatte, aus einem Kreis von dreizehn Personen geleakt worden ist, so Babler. Er beklagte sich über den Vertrauensbruch. Das werde er „irgendwann stoppen müssen“, so der SPÖ-Vorsitzende. Das SPÖ-Programm werde von allen, bis auf eine Person, bei der es sich nicht um Bures handelt, mitgetragen. Es sei „unser Programm“, so Babler. Zugleich verteidigte er die Öffnung der Partei durch ihn.

Babler beklagte zudem, es seien immer dieselben „vier, fünf Personen“, die sich regelmäßig melden würden. Im Gegensatz zu anderen werde der SPÖ immerhin attestiert, dass sie für ihr forderungsreiches Wahlprogramm auch Gegenfinanzierungen aufzeigen würde. Thür listete in seiner Frage eine Reihe an Beispielen auf, unter anderem mehrere kostenlose Essensangebote sowie Zahnbehandlungen für Kinder, und fragte nach den Kosten.

Kritik an „Bremsern“

Kritik äußerte Babler an jenen in der SPÖ, die glauben, „bremsen zu müssen“. Sein Wahlprogramm verteidigte der SPÖ-Chef.

Vage bei Frage, ob Reichensteuer Koalitionsbedingung

Babler meinte, es bringe einen „Überschuss im Budget“. Er rechne mit sechs Milliarden Euro aus Vermögens- und Erbschaftssteuern. Ebenfalls würde weiters Geld durch die „Rücknahme der Geschenke“, die die Bundesregierung gemacht habe, hereinkommen. Darauf gefragt, ob eine Reichensteuer eine Koalitionsbedingung sei, reagierte Babler ausweichend und verwies darauf, das Leben in Österreich „leichter und leistbarer machen zu wollen“.

Dann ging es im Gespräch um soziale Themen. Von Thür darauf angesprochen, warum er in den Wahlprogrammentwürfen der SPÖ keine Vorstellungen zu einer Neuregelung der Sozialhilfe – einem Kernthema der Sozialdemokratie – finde, verteidigte sich Babler, dass er gar nicht mehr in „diesem alten System“ denke. Konkret meinte er damit, die Kindergrundsicherung von der Sozialhilfe loszulösen und als eigenen Punkt zu behandeln.

Kindergrundsicherung wichtiges Thema

Die Kindergrundsicherung sei eine „klare Positionierung“, um aus der Mindestsicherung rauszukommen – vor allem aufgrund der steigenden Kinderarmut, so Babler. Die Mindestsicherung an sich sei eine Absicherung, um niemanden zurückzulassen. Statt viel über Mindestsicherung zu reden, wolle Babler lieber, dass Menschen „arbeiten und Steuern zahlen“, statt „Steuern zu bekommen und in der Armut zu sein“.

Der SPÖ-Chef wolle Menschen so schnell wie möglich in Beschäftigung bekommen, vor allem durch eine größere Einbindung des Arbeitsmarktservice (AMS) bzw. die AMS-Kriterien. Daher fordere er mehr Ressourcen für das AMS. Auf die Frage von Thür, ob das von Babler angedachte Wiener Modell der Kindergrundsicherung – jedes Kind bekommt gleich viel – fair sei, antwortete Babler, dass es eine bundeseinheitliche Regelung brauche und dieses Modell auch in SPÖ-Gremien auf keinen Widerstand gestoßen sei.

Wie die Sozialhilfe reformiert werden soll

Die Sozialhilfe wolle Babler nicht mehr in „alten Systemen“ denken. Wichtig sei vor allem, Kinderarmut zu bekämpfen. Dazu sei es notwendig, die Kindergrundsicherung von der Sozialhilfe loszulösen und als eigenen Punkt zu behandeln.

Kindern müsse eine „Perspektive auf eine eigenes Leben“ gegeben werden – mit einem Universalbetrag für jedes Kind und für arme Familien einem einkommensabhängigen Teil. Auf die Nachfrage von Thür, dass Expertinnen und Experten wie die AMS-Chefin Petra Draxl meinten, ab einer gewissen Anzahl die Auszahlungen zu reduzieren, reagierte Babler ausweichend und verwies auf eine steigende Zahl von armutsgefährdeten Kindern.

Andere Erzählung in Causa Luger „Kindergarten“

In der Causa um den Rückzug des Linzer Bürgermeisters Luger (SPÖ) meinte Babler, dass es notwendig war, dass der Parteivorsitzende die notwendigen Konsequenzen sofort in den Raum gestellt hat. Erzählungen, Babler habe Luger erst nach dessen Rücktrittsentscheidung aufgefordert, sich zurückzuziehen, seien „völliger Kindergarten“, so Babler. Er könne den Gegenbeweis antreten, dass es anders war, so der SPÖ-Chef. Er lasse jedoch „Interna als Interna“ sein. Er wisse, dass es intern Widerstände gebe, aber er wolle jedoch in eine neue Zeit aufbrechen, sagte Babler.

Darauf angesprochen, ob die nun erstmals stärkere Einbindung der SPÖ-Mitglieder – auch die einer Abstimmung über eine allfällige zukünftige Koalition – funktionieren würde, meinte Babler, dass das davon abhänge, wie stark die Sozialdemokratie bei der Wahl abschneiden würde. Die Zielsetzung Bablers bleibe das Bundeskanzleramt. Unbedingt „Regieren des Regierens willens“ sei jedoch nicht sein Konzept, so Babler. Seine politische Agenda und Aufgabe sei, das Land besser zu gestalten. Das könne man dann umsetzen, wenn man „sehr stark“ sei.

Babler zu Causa Luger

Die Causa rund um den nunmehrigen Linzer Ex-Bürgermeister Luger war ebenfalls Thema im „Sommergespräch“. Erzählungen, Babler habe Luger erst nach dessen Rücktrittsentscheidung aufgefordert, sich zurückzuziehen, seien jedoch „völliger Kindergarten“, so Babler.

Asyl und Migration: Menschlichkeit „oberstes Prinzip“

In den Bereichen Asyl und Migration sah Babler einen „entscheidenden Kurswechsel“. Man habe ein Papier, in dem Menschlichkeit als oberstes Prinzip verankert sei. Jemand, der einen rechtlichen Fluchtgrund hat, werde in Österreich bleiben. Thür warf ein, dass sich am bestehenden Kaiser-Doskozil-Papier unter Babler kein Beistrich geändert habe. Hier reagierte Babler ausweichend und verwies auf seine Zeit als Traiskirchener Bürgermeister.

Ungarn beschuldigte Babler „jahrelanger Rechtsbrechungen“ und mangelnder Rechtsdurchsetzung. Darum wolle er auch klagen. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer warf er vor, „Bussi, bussi“-Fotos mit dem ungarischen Premier Viktor Orban zu machen. Und Kickl mache ihn „zum Vorbild“, rege sich jedoch gleichzeitig über hohe Asylzahlen auf, weil Orban sich nicht an Gesetze halten würde.

Asyl: Verpflichtende Quote innerhalb Österreichs

Mit seiner Asylpolitik wolle Babler dafür sorgen, dass Menschen möglichst schnell in den Arbeitsmarkt kommen würden. Wichtig sei es zudem, zu einer verpflichtenden Quote in Österreich zu kommen.

Babler wolle mit seiner Asylpolitik dafür sorgen, dass Menschen, bei denen man wüsste, dass sie „eh da bleiben“, schnell Deutschkompetenzen erlernen, Berufschecks durchmachen und möglichst schnell Steuern zahlen und nicht Steuern kosten. Ob Babler auch für eine faire Verteilung auf ganz Österreich sei – Thür warf ein, Kärnten habe als SPÖ-geführtes Bundesland die niedrigste Quote an aufgenommenen Asylwerberinnen und Asylwerbern –, verteidigte der SPÖ-Vorsitzende mit einer „unlauteren Statistik“, weil dort auch Ukraine-Vertriebene reinfallen würden. Sonst blieb Babler bei diesem Punkt eher vage. Man müsse jedoch zu einer verpflichtenden Quote in Österreich kommen.

Babler verteidigt Neutralität

Ob die SPÖ bzw. Österreich die Haltung in Bundesheerfragen ändern sollte, verneinte Babler. Es müsse jedoch ein größerer Zugang gefunden werden. Er habe sich in der Friedensbewegung engagiert, denn er sehe „Frieden als das Wichtigste“. Erst dann komme die Neutralität ins Spiel. Diese könne – wie Babler meinte – Experten zufolge in der Zukunft ein „wahnsinnig wichtiges Element“ sein, um Frieden zu schaffen, zu behalten und zu garantieren.

NATO-Partnerschaften und auch gemeinsame Übungen sieht Babler mit der Neutralität vereinbar. Jedoch brauche es keine weitere Verdichtung bzw. keinen Beitritt zu einem Militärpakt. Der FPÖ warf Babler vor, das Land „immer schon“ in die NATO geführt haben zu wollen. Und auch der ÖVP wolle er die Neutralität Österreichs „nicht gerne anvertrauen“, so Babler.

Analyse: Kritik vor allem an eigenen Reihen

In der ZIB2 analysierten Politologe Peter Filzmaier und „Presse“-Journalistin Hanna Kordik die Aussagen Bablers und konstatierten, dass die eigene Partei wesentlich schlechter davon kam als die politischen Mitbewerber. Filzmaier sagte etwa, dass die FPÖ „gezählte dreimal vorgekommen“ sei. Dass er die eigenen Funktionäre kritisierte, bezeichnete Filzmaier als nicht „super schlau“, vor allem im Hinblick darauf, dass die Wahl in wenigen Wochen sei. Es gehe stattdessen darum, die eigenen Reihen zu schließen.

Analyse des „Sommergesprächs“ mit Andreas Babler

Nach dem ORF-„Sommergespräch“ mit SPÖ-Chef Andreas Babler analysierten die stellvertretende „Presse“-Chefredakteurin Hannah Kordik und der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier das Gespräch in der ZIB2.

Kordik sagte, Babler habe die Funktionäre gar „abgewatscht“, was sie überrascht habe. Die Frage sei, „wie informativ das für Wählerinnen und Wähler ist“. Filzmaier und Kordik zeigten sich auch überrascht davon, dass Babler mit einer Reaktion auf die parteiinterne Kritik an seinem Programm bis zum „Sommergespräch“ gewartet habe. „Bei einer so gewichtigen Kritik muss ich schnell reagieren“, so Filzmaier im Hinblick auf Bures’ gewichtige Position in der Partei.

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