Enttäuschung am linken Flügel: Babler-SPÖ weit weg von Platz eins

10 Stunden vor
Babler

Der angestrebte Platz eins wurde ganz klar verfehlt. Jetzt muss die SPÖ entscheiden, ob sie Juniorpartner in einer Koalition werden will.

Platz eins sei möglich, hatte Parteichef Andreas Babler am Vormittag bei der Stimmabgabe noch gemeint. Genau das hoffen auch die vielen Anhänger, die sich im Wiener Volkskundemuseum zur Wahlparty eingefunden haben. Doch die Hoffnungen sind rasch zerstört: Schon die erste Hochrechnung zeigt, das Ziel ist unerreichbar, die Sozialdemokraten werden erstmals auf Platz drei zurückfallen und möglicherweise das schlechteste Ergebnis der Geschichte erreichen.

Die SPÖ-Anhänger quittieren die Hochrechnung mit Schweigen. Die „Andi Babler“-Taferln, die zuvor ausgeteilt wurden, bleiben unten. Erst beim TV-Interview mit Generalsekretär Klaus Seltenheim wird pflichtgemäßer Jubel laut. „Andi, Andi“-Sprechchöre erschallen.  Seltenheim zeigte sich vom Wahlergebnis enttäuscht. „Es ist ein schwarzer Tag für die Demokratie“, weil die FPÖ stärkste Partei geworden sei, sagte er. Für die SPÖ sei es ein mehr als schmerzhaftes Ergebnis. Ziel sei es nun, eine schwarz-blaue Bundesregierung zu verhindern.

Die Wahlparty entwickelte sich dann ziemlich lau. Die Band spielte das Partisanen-Kampflied „Bella ciao“, doch kämpferisch ist die Stimmung gar nicht. „Es werden wieder bessere Zeiten kommen“, flüchtete sich eine Parteimitarbeiterin in Zweckoptimismus.

Die SPÖ wird sich nun eine Grundsatzfrage stellen müssen: Will sie als Juniorpartner in eine Koalition? Anbieten würde sich die ÖVP, die SPÖ wäre erstmals seit den 1960er-Jahren Juniorpartner in einer Großen Koalition (die jetzt aber nicht mehr groß wäre). Offen ist noch, ob sich das überhaupt rechnerisch ausgeht. Am Wahlabend schwankte die Mandatsverteilung, SPÖ und ÖVP hatten zusammen zwischen ausreichenden 92 und nicht ausreichenden 91 Mandaten. Damit müsste möglicherweise ein dritter Partner dazu genommen werden, also entweder die Grünen oder die Neos. Endgültig entscheiden wird sich das wohl erst mit Auszählung der restlichen Briefwahlstimmen am Montag und am Donnerstag. Rein rechnerisch könnte die SPÖ natürlich auch eine Koalition mit dem Wahlsieger FPÖ führen – aber die hat Parteichef Babler stets ausgeschlossen.

Abstimmung über Babler-Kurs

Die Frage ist aber auch, ob Babler das überhaupt noch entscheiden wird. Babler werde Parteichef bleiben, schloss Seltenheim dessen Rücktritt aus. Babler selbst wollte die Frage nach einem Rückzug am Wahlabend nicht beantworten. Doch das Wahlergebnis ist auch eine Abstimmung über das Experiment Babler, das die SPÖ vor eineinhalb Jahren gestartet hat. Beim Parteitag vor eineinhalb Jahren gelang es dem als klarer Außenseiter gestarteten Babler, mit einer mitreißenden Rede das Steuer noch herumzureißen. So fulminant der Erfolg in der parteiinternen Wahl auch war, so schwierig gestaltete sich das erste Jahr des Parteichefs. Das begann schon mit dem Start: Aufgrund einer peinlichen Panne der Wahlkommission wurde Doskozil zum Sieger ausgerufen, Babler fiel um das Momentum des Siegers um: keine Bilder des Triumphs, dafür Krisenmanagement vom ersten Tag an.

Die Unterstützung der zweiten Führungsebene der Partei war dann spärlich. Babler war nicht der Kandidat der Landesparteichefs. Die waren entweder für Doskozil oder hatten Babler unterstützt, um Doskozil zu verhindern – ohne aber mit dem dezidierten Linkskurs des Traiskirchner Bürgermeisters einverstanden zu sein. Im Gegenteil: Ein Spitzenrepräsentant der Partei nach dem anderen richtete dem Parteichef öffentlich aus, mit welchen seiner Positionen er nicht einverstanden war.

Babler hat den linken Flügel der SPÖ hinter sich, aber kaum jemanden vom Partei-Establishment. Auch nicht die Wiener Landespartei, die Doskozil verhindern wollte. So passiert es, dass in der Intensivphase des Wahlkampfes noch ein kritischer Brief der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures zum Wahlprogramm an die Medien gespielt wird – ein Zeichen für die Grabenkämpfe in der Partei.

Gegen die „Reichen“

Im Wahlkampf setzte die Babler-SPÖ ganz auf soziale Themen und auf das Thema Umverteilung: „Die Reichen“, oder auch die obersten zwei Prozent sollen „einen gerechten Beitrag“ zur Finanzierung des Staates leisten. Die SPÖ hat konkrete Modelle für eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer sowie für eine Vermögensteuer vorgelegt. Die Forderung danach hat in der Partei zwar schon Tradition, für die Babler-SPÖ hat das Thema aber Priorität. Erstmals wird der Eindruck erweckt, es wirklich ernst zu meinen. Entsprechend wird das Vorhaben auch bekämpft. Partner für eine Umsetzung wird die SPÖ nur schwer finden, von den anderen Parteien sind nur die Grünen dafür. Und mit denen wird sich auch diesmal keine Koalition ausgehen.

Wechsel an der Spitze?

Genau das könnte nun auch die Koalitionsverhandlungen schwierig machen. Babler hat etliches als Koalitionsbedingung genannt, was er bei der SPÖ nun wohl schwer durchbringen wird. Vielleicht sorgt die SPÖ nun aber für einen raschen Wechsel an der Spitze – dann wären auch bei den Koalitionsverhandlungen die Karten neu gemischt.

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