Alexander Zverev bei ATP-Finals: Deutscher Tennis-Star startet in ...
Alexander Zverev hat einmal verraten, dass er nicht so sehr gut darin sei, zu planen. Für Tennisprofis ist Planung allerdings unerlässlich. Jetzt, am Ende einer langen Saison, geht für sie kein Weg daran vorbei, um das neue Jahr so präzise wie möglich durchzukalkulieren. Wann spiele ich welches Turnier, um meine Ziele erreichen zu können? Diese Frage steht im Mittelpunkt, auch für Zverev, der das größtmögliche Ziel für sich schon etwas länger ausgemacht hat: die Nummer eins der Weltrangliste werden und dazu, selbstverständlich, endlich den lang ersehnen ersten Grand-Slam-Titel gewinnen.
Deutschlands bester Tennisspieler wird abermals eine Saison vor sich haben, die es in sich hat. Er hat keine andere Wahl. Wenn er der beste Spieler der Welt werden will, muss er möglichst viele Turniere spielen. Die Jagd nach Punkten auf der Tour, sie ist gnadenlos. Und sie ist für dieses Jahr immer noch nicht beendet.
Fast ein medizinisches Wunder
Auch das ist so ein kleines Kuriosum des Tenniskalenders. Wenn alles gefühlt langsam ausklingt, die vier Grand-Slam-Events längst gespielt sind und dann noch unter großem Stöhnen und Ächzen der Profis ein paar bedeutsame Hallenturniere in Asien und Europa über die Bühne gegangen sind, stehen sie plötzlich wieder vor der Tür: die ATP-Finals, das Jahresendturnier der acht besten Tennis-Männer.
An diesem Sonntag startet in der imposanten Pala Alpitour Halle in Turin die inoffizielle Weltmeisterschaft. Ein ungeschlagener Champion bekommt bei den „Nitto ATP Finals“ 1500 Punkte gutgeschrieben. Nur bei den vier Majors bekommt man mehr (2000). Zverev sehnt sich nach der vollen Ausbeute. Der 27-Jährige geht als Mitfavorit ins Rennen.
Jannik Sinner kann er an der Spitze der Weltrangliste selbst mit einem Sieg in Turin allerdings nicht mehr einholen. Der Italiener liegt 3000 Punkte vor dem Olympiasieger von 2021. Aber alleine die Tatsache, dass es Zverev am Ende dieser kräftezehrenden Saison geschafft hat, sich in die Position des Herausforderers von Sinner zu bringen, ist ein großer Erfolg – und grenzt an ein medizinisches Wunder.
Denn irgendwie schien das Tennisjahr des Hamburgers bereits abgehakt. Die Erschöpfung am Ende einer langen Saison mit bislang 66 Siegen (Sinner liegt bei 65 Siegen) wirkte zu groß. Hinzu kamen die erheblichen Probleme durch die Nachwirkungen einer Lungenentzündung im September. Aber dann kam dieser unerwartete Titel beim Masters in Paris vergangene Woche. Die Probleme mit der Lunge waren fast vergessen. Der kraftlose Körper war wieder voller Energie. Und der Ehrgeiz auf einmal neu entfacht.
In Paris wirkte Zverev sehr stolz auf sich und seinen Coup. „Ich sitze hier neben der Trophäe eines Masters 1000, das ist extrem befriedigend“, sagte er nach dem souveränen 6:2, 6:2-Finalerfolg über Ugo Humbert, „aber ich möchte noch einige Dinge verbessern, um meine wirklich ehrgeizigen Ziele zu erreichen.“
Schaulaufen der Superstars
Zwischen den Zeilen hörte man heraus, dass Zverev nach vorne blickte, auf die neue Saison. Vielleicht hat er ja wider Erwarten doch schon einen genauen Plan im Kopf, wie er das alles 2025 bewerkstelligen will. Aber für eine Weile muss er noch in der Gegenwart bleiben. Zverev startet am Montagabend (20.30 Uhr bei Sky) zunächst gegen Andrej Rubljow. Die weiteren Vorrundengegner werden Carlos Alcaraz und Casper Ruud sein.
In Turin bei den Finals ist das Starterfeld elitär. Nach der Absage von Novak Djokovic sind die letztren drei noch offen gewesenen Startplätze an den Norweger Ruud, den Australier Alex de Minaur und den Russen Rubljow gegangen. Darüber hinaus sind noch Daniil Medvedev und Taylor Fritz qualifiziert. Es ist ein Schaulaufen der Superstars. Aber eben kein Showturnier wie der geradezu absurd hoch dotierte und umstrittene „Six Kings Slam“, der vor ein paar Wochen in Riad ausgetragen wurde.
Sinner gewann das Turnier in Saudi-Arabien. Danach sagte er für Paris wegen eines Magen-Darm-Virus ab. Tennisprofis, insbesondere diejenigen, die ganz oben mitspielen, dosieren auf ihre ganz eigene Art und Weise und bestimmen den Rhythmus. In Turin vor seinem Publikum nicht spielen zu können, das wollte Sinner nicht riskieren.
Bei Djokovic ist es etwas anders gelagert. Der Serbe befindet sich fast schon auf einer Art Abschiedstour. Vor ein paar Monaten sagte der Rekordchampion: „Was mich betrifft, so bin ich mit diesen Turnieren in meiner Karriere fertig.“ Er meinte damit auch die ATP-Finals. Damals sagte er für Turin zwar noch nicht ab, aber das holte die langjährige Nummer eins im Herren-Tennis für niemanden wirklich überraschend vergangenen Woche nach – seinen Angaben zufolge aber verletzungsbedingt. Bei Zverev ist der Hunger größer. Vielleicht war er sogar am Ende einer langen Saison sogar noch nie so groß wie jetzt.