Jungfernflug: Trägerrakete Ariane 6 erfolgreich gestartet

9 Jul 2024

Jungfernflug

Vier Jahre später als ursprünglich geplant ist Europas neue Trägerrakete am Dienstag erstmals ins All gestartet. Ariane 6 hob um 16.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) vom Europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana zu ihrem Jungfernflug ab. Damit hat die europäische Raumfahrt wieder einen eigenständigen Zugang zum Weltraum. Die Flugdauer wurde im Vorfeld bei vollem Erfolg mit knapp drei Stunden angegeben.

Ariane 6 Start - Figure 1
Foto ORF

Online seit heute, 21.23 Uhr (Update: 22.47 Uhr)

Kurz nach dem Abheben, als die Ablösung der Booster verkündet wurde, brach auf den Terrassen des europäischen Weltraumbahnhofs Jubel und Applaus aus. Wie die Europäische Raumfahrtorganisation (ESA) mitteilte, wurden die Mikrosatelliten, die an Bord der Rakete waren, eine Stunde und sechs Minuten nach dem Start erfolgreich im Orbit abgesetzt. ESA-Chef Josef Aschbacher sprach von einem „historischen Tag für die ESA und für Europa“.

Für die ESA war der Start ein dringend benötigter Erfolgsmoment: Im Juli 2023 startete die Vorgängerin Ariane 5 zum letzten Mal ins All, die kleinere Vega-C-Rakete blieb nach einem Fehlstart auf dem Boden. Zudem wurde der Startschuss für Ariane 6 gleich mehrfach verschoben. Verschärft wurde die Situation zusätzlich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Davor konnte die ESA auch auf die russischen Sojus-Raketen zurückgreifen, die Zusammenarbeit wurde aber gestoppt.

„Wir haben uns abhängig gemacht“, fasste Aschbacher schon 2022 in einem Gespräch mit dem ORF die schwierige Situation für Europas Raumfahrt zusammen. „Deshalb ist die Ariane 6 entscheidend für Europa, das unbedingt einen unabhängigen Zugang zum Weltraum haben muss“, sagte der Österreicher. Um Satelliten ins All zu bringen, machte man auch von der US-Konkurrenz SpaceX Gebrauch.

Bereits der erfolgreiche Start der Trägerrakete Ariane 6 war für die ESA ein dringend benötigter Erfolgsmoment Schon 30 Flüge gebucht

Der Erfolg am Dienstag war daher umso wichtiger, allein für den kommerziellen Erfolg. Bereits jetzt gibt es Aufträge für 30 Flüge mit der Rakete, wie es zuletzt von der ESA hieß. Noch vor Jahresende soll – so der Plan – der erste kommerzielle Flug einer Ariane 6 stattfinden.

Ariane 6 Start - Figure 2
Foto ORF

Die Rakete ist deutlich günstiger als ihre Vorgängerin. Sie kann Satelliten in verschiedene Orbits ausliefern und so auch unterschiedliche Konstellationen in den Weltraum bringen. Die Rakete kann mit zwei oder vier Boostern, die für den Startschub verantwortlich sind, ausgestattet werden und Satelliten mit einem Gewicht bis zu 11,5 Tonnen transportieren. Die Höhe der Rakete beträgt rund 60 Meter, ihr Gewicht mit der maximalen Nutzlast etwa 900 Tonnen. Flüssigsauerstoff und Flüssigwasserstoff dienen dem Hauptstufentriebwerk der Rakete als Treibstoff.

Die Ariane 6 soll künftig Satelliten für Europa ins All bringen Experte zweifelt an Konkurrenzfähigkeit

Zweifel gibt es aber offenbar daran, wie zeitgemäß die Ariane 6 überhaupt ist. Aschbacher zufolge entspricht sie den aktuellen Herausforderungen und ist an zukünftige Ambitionen anpassbar. Der Raumfahrtexperte Martin Tajmar von der TU Dresden sagte gegenüber der dpa jedoch: „Das kann man vergessen.“ Er verweist auf ein Produkt von SpaceX: „2015 ist das erste Mal die Falcon-9-Rakete erfolgreich wieder gelandet und hat quasi das Zeitalter der wiederverwendbaren Raumfahrt gegründet, wo natürlich alle anderen jetzt dann komplett alt ausschauen.“

Doch die langwierigen Entscheidungsprozesse bei der ESA könne man auch nicht mit der Arbeitsweise von SpaceX vergleichen. Die Unwägbarkeiten eines derartigen Großprojekts, an dem 13 europäische Länder, darunter auch Österreich, beteiligt sind, trugen laut ESA zur Verspätung bei. Während Frankreich unter den ESA-Ländern den Mammutanteil an der Finanzierung der Ariane 6 trug, war Deutschland mit rund 20 Prozent unter den Ländern der zweitwichtigste Geldgeber.

Ariane 6 Start - Figure 3
Foto ORF
Die Falcon-9-Rakete von SpaceX hat bei der „wiederverwendbaren Raumfahrt“ vorgelegt, so ein Experte

Das Wichtigste an der Ariane 6 sei, dass sie den Zugang zum Weltall wiederherstelle, der ja auch einer der Uraufträge der europäischen Raumfahrt sei, meint Tajmar. Außerdem gehe es darum, eine Alternative anzubieten, auch wenn diese nicht die günstigste sei. „Es ist wirklich ein schwieriges Umfeld, in dem man sich da befindet.“

Auch Amazon setzt auf Ariane

Rein von den Zahlen her hinkt man der US-Konkurrenz hinterher. Von Arianespace, das für die Vermarktung und den Betrieb der Rakete zuständig ist, heißt es, dass Ariane 6 für zwölf Starts pro Jahr ausgelegt ist. Zum Vergleich: SpaceX hatte allein im Mai über zehn Starts mit der Rakete Falcon 9. Selbst die Mitgliedsstaaten der Europäischen Agentur für meteorologische Satelliten (EUMETSAT) entschieden sich noch wenige Tage vor dem Erstflug der Ariane 6, den Wettersatelliten Meteosat MTG-S1 nicht an Bord einer Ariane 6, sondern mit einer Falcon 9 ins All zu bringen.

18 der bisher 30 Aufträge kommen dafür ausgerechnet vom US-Internetriesen Amazon: Die Ariane soll Satelliten für das Projekt Kuiper in den Orbit bringen. Das Projekt soll satellitengestützten Internetzugang ermöglichen – und damit Konkurrenz zu Musks SpaceX-Tochter Starlink sein. „Das ist absolut beispiellos für eine Rakete, die noch nicht geflogen ist“, sagte Stephane Israel, der Chef von Arianespace, gegenüber der AFP.

Technik aus Österreich dabei

In Ariane 6 steckt auch Know-how und Technologie aus Österreich. So lieferte der größte Weltraumzulieferer des Landes, Beyond Gravity Austria (vormals RUAG Space), mit Hauptsitz in Wien, die Hochtemperatur-Thermalisolation für Raketenantriebe des neuen Systems sowie einen Steuermechanismus für die Raketenoberstufe, der für die genaue Ausrichtung des Triebwerks sorgt – mehr dazu in wien.ORF.at. Zahlreiche weitere Unternehmen beteiligten sich an dem Projekt, auch aus der Steiermark und aus Niederösterreich – mehr dazu in steiermark.ORF.at und noe.ORF.at.

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