Vermisster Arian tot aufgefunden: FR-Recherche gibt neue Einblicke

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Stand: 28.06.2024, 19:40 Uhr

Von: Moritz Bletzinger

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Die Polizei suchte auch das Feld ab, auf dem der lange vermisste Arian lag. Wieso wurde er nicht bemerkt? Unsere Redaktion hat die Suche rekonstruiert.

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Foto Frankfurter Rundschau

Bremervörde – Rund zwei Monate lief die vergebliche Suche nach dem vermissten Arian aus Bremervörde. Dann, nach 62 Tagen, stieß ein Landwirt bei Mäharbeiten zufällig auf den leblosen Körper des autistischen Jungen. Seitdem drängt die Frage: Warum wurde er nicht früher entdeckt?

„Es war überraschend für alle, die gesucht haben, dass dort eine Leiche gefunden wurde“, sagte Polizeisprecherin Sarah Mehnen bei einer Pressekonferenz am Tag nach dem Fund.

„Ja, die Menschenkette war hier“: 800 Personen im Einsatz, wo der vermisste Arian später gefunden wurde

Die Überraschung ist umso größer, wenn man bedenkt, wie umfangreich die Suche auf dem Feld war. Wie Recherchen unserer Redaktion zeigen, durchkämmte eine riesige Menschenkette am 28. April das Gebiet – sechs Tage nach Arians Verschwinden. Sie bestand aus 800 Personen – von Bundeswehr, Feuerwehr und Freiwilligen – und war laut Polizeiangaben 1,5 Kilometer breit. Es war eine von mehreren beeindruckenden Suchaktionen in den ersten Tagen.

800 Personen stark, 1500 Meter breit: Auch die XXL-Menschenkette fand Arian Ende April nicht. © Moritz Frankenberg/picture alliance/dpa

Die Einsatzkräfte starteten ihre Suche in Kranenburg und bewegten sich in Richtung Süden – in Richtung Arians Heimatort Elm (ein Gemeindeteil von Bremervörde). Auf ihrem Weg kamen sie auch am Hof vorbei. Landwirt Jan S. bestätigt bei IPPEN.MEDIA: „Ja, die Menschenkette war hier.“

„Eine derart große Suchmaßnahme habe ich zuvor noch nicht geleitet“, sagte der Gesamteinsatzleiter Jörg Wesemann. S. hatte der dpa bereits am Tag nach der Entdeckung des Leichnams erzählt: „Die sind da überall gewesen.“ Seine erste Frage an die Polizei war: „Warum habt ihr ihn nicht gefunden?“

Vermisster Arian tot in Feld gefunden – im Gebiet wurden viele Spuren entdeckt

Der Grund für den massiven Einsatz? Es war ein Gebiet, in dem viele Spuren gefunden wurden und das Ziel war es, „lückenlos alles noch einmal umzudrehen“, erklärte eine Polizeisprecherin Ende April. Zusätzlich waren eine Reiterstaffel und das THW im Einsatz, um die Gräben zu inspizieren.

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Foto Frankfurter Rundschau

Wochen später folgte der traurige Fund und selbst die Polizei zeigte sich erschüttert. „Wir haben so oft dort gesucht. Wir können niemandem einen Vorwurf machen“, sagte Sprecherin Mehnen. Schuldzuweisungen wären natürlich völlig unangebracht. Es ist durchaus möglich, dass Arian zum Zeitpunkt der Suche noch am Leben war und sich gar nicht auf dem Feld befand. Ein Helfer sprach von etwa 500 Männern auf dem Gelände und glaubt nicht, dass Arian an diesem Tag dort war.

Arian blieb bei großer Suche im Landkreis Stade unentdeckt – Polizei zieht Bilanz

Die Menschenkette war lange nicht der einzige Einsatz in dem Gebiet und auf dem Feld, wo Arian später tot gefunden wurde. Polizeiberichte zeigen, dass die Suche bereits am 27. April auf den Landkreis Stade ausgedehnt wurde. Wann und wie oft Einsatzkräfte in der Nähe seines Hofes waren, daran kann sich Landwirt Jan S. nicht genau erinnern.

Die zweimonatige Suche ist derzeit Gegenstand interner Ermittlungen der Polizei. Ein ganz normaler Vorgang bei Einsätzen dieser Größe. Die Behörden prüfen, was gut gelaufen ist und was in Zukunft verbessert werden könnte. Die Polizei erhielt viel Lob für ihre teils sehr kreativen Lösungsansätze, aber auch Kritik für das Ende der groß angelegten Suche.

Die Behörden ließen bei der Suche nichts unversucht, aber blieben erfolglos: Der Körper von Arian wurde zwei Monate nach seinem Verschwinden zufällig von einem Landwirt gefunden. © Moritz Frankenberg/picture alliance/dpa/Polizei„Das wäre respektlos“: Interne Polizei-Ermittlungen nicht für Schuldzuweisungen

Auch die Polizei muss diese Informationen noch zusammentragen. „An welchen Tagen genau das Feld abgesucht wurde, wird Teil interner Einsatznachbereitungen, die noch anstehen und einige Zeit dauern können“, erklärte Polizeisprecher Marvin Teschke auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA. „Daraus versuchen wir primär Erkenntnisse für zukünftige Anlässe zu gewinnen.“ Teschke betonte auch: „Wir halten es nicht für sinnvoll, daraus etwaige Schuldzuweisungen gegenüber eingesetzten Einsatz- und Hilfskräften zu unterstützen. Das wäre respektlos.“ Zwischenzeitlich halfen bis zu 1200 Menschen bei der Suche nach Arian, viele von ihnen freiwillig.

Trotzdem fehlt eine Erklärung, was mit Arian passiert ist und weshalb sein Körper so lange unbemerkt blieb. Ein Verbrechen schlossen die Ermittler nach der Obduktion bereits aus. Sowohl der ehemalige Mordermittler Axel Petermann als auch der Kriminalwissenschaftler Christian Matzdorf hatten bei IPPEN.MEDIA bereits zwei weitere Szenarien aufgezeigt. Entweder kam der Sechsjährige erst nach den Suchtrupps zu dem Feld, oder Arian wurde von der Menschenkette übersehen. Laut dem Landwirt Jan S. war das Gras im April jedoch nicht besonders hoch. Geschätzt etwa zehn Zentimeter. (moe)

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