Parksünder im Visier: Anzeigenhauptmeister kommt nach Neumünster

11 Mär 2024

Nach Aufruf der Stadt

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Anzeigenhauptmeister - Figure 1
Foto Kieler Nachrichten

Die Stadt Neumünster hat alle Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, Parksünder zu melden.

Quelle: Thorsten Geil

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• 4 Minuten

Niclas M. meldet als selbst ernannter „Anzeigenhauptmeister“ Parksünder den Ordnungsbehörden. Die Stadt Neumünster hat Bürger dazu aufgerufen, es ihm gleich zu tun und ebenfalls Parksünder zu melden. Während M. nach Neumünster kommen will, hat die Stadt nach Kritik eine Klarstellung veröffentlicht.

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Neumünster. Ein junger Mann aus Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt) sorgt aktuell bundesweit für Wirbel: Niclas M. ist selbst ernannter „Anzeigenhauptmeister“. Sein Ziel: In jeder Stadt Deutschlands so viele Parksünden zur Anzeige zu bringen wie möglich. Die Stadt Neumünster hat nun in einem Social-Media-Beitrag alle Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, es ihm gleich zu tun und aktiv Parksünder zu melden. Das sorgt für große Empörung.

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Mit ihrem Aufruf auf Instagram und Facebook hat die Stadt Neumünster den „Anzeigenhauptmeister“ quasi herbeigerufen. Der 18-Jährige kündigte an, noch diesen Monat in die Schwalestadt zu kommen. Zweifelhafte Berühmtheit hat der junge Mann durch eine Spiegel-TV-Reportage erlangt.

Stadt Neumünster ruft Bürger auf, Falschparker zu melden

Unterwegs ist M. mit gelber Signal-Bekleidung und einem Fahrrad mit der selbst gebastelten Aufschrift „Polizfi“. Während der Bürgermeister seiner Heimatstadt laut Medienberichten die Anzeigenflut, mit der M. das dortige Ordnungsamt überschwemmt, nun stoppen will, fordert die Stadt Neumünster den jungen Mann am Wochenende quasi dazu auf, nach Schleswig-Holstein zu kommen: „Steckt nicht in allen von uns ein ,Anzeigenhauptmeister’?“, fragt die Stadt in ihren sozialen Netzwerken.

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Mit dem Post will die Stadt die Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner ermutigen, selbst in Aktion zu treten, wenn sie Falschparker entdecken. „Die Verkehrsüberwachung in Neumünster tut ihr Bestes, aber es ist unmöglich, jeden Parkverstoß zu erfassen“, heißt es weiter. Und dann folgt der Aufruf an die Bürger: „Wenn ihr einen Verstoß bemerkt, könnt ihr den Sachverhalt in einem Formular auf unserer Website schildern und per Mail an die Bußgeldstelle senden – am besten mit Fotos.“

Anzeigenhauptmeister - Figure 2
Foto Kieler Nachrichten

Das sorgte für eine Flut an wütenden Kommentaren, die von „Denunzianten“ über „braucht die Stadt Geld“ bis hin zu „Stasi“ reichen. Beistand gibt es nur wenig – zum Beispiel vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Und auch der „Anzeigenhauptmeister“ ließ sich das wohl nicht zweimal sagen und reagierte binnen eines Tages mit einem Beitrag auf seinem Kanal: „Stadt Neumünster, ich nehme die Einladung dankend an. Ich komme noch diesen Monat.“

Stadt Neumünster überrascht von „Anzeigenhauptmeister“-Besuch

OB Bergmann äußert sich auf Nachfrage nicht, sein Sprecher Stephan Beitz erklärt: „Wir sind sehr überrascht, dass unser Beitrag so viral gegangen ist und auch, dass der ,Anzeigenhauptmeister’ nun kommen will.“ Am Montagnachmittag erklärte sich die Stadt dann auf Facebook und bedauerte Irritationen, die der „missverständliche Beitrag ausgelöst hat“. Und weiter: „Keineswegs möchte die Stadt dazu animieren, dass sich ihre Bürger gegenseitig überwachen und anschwärzen.“ Die Überwachung und das Knöllchen-Verteilen sei grundsätzlich Sache der Polizei oder des Ordnungsdienstes.

Bürger hätten aber die Möglichkeit, Verstöße zu melden, „wenn sie selbst unmittelbar blockiert oder behindert werden“, oder wenn Feuerwehrzufahrten und Rettungswege blockiert werden, heißt es weiter.

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Stadt Neumünster nimmt Meldungen zum Falschparken nur über offizielle Wege an

Meldungen von Bürgern nehme die Stadt aber ausschließlich über die offiziellen Wege der Stadt entgegen: den „Bürgertipp“, die App Mängelmelder und den Link zum Formular „Falschparken“. Weder in Kiel noch in Rendsburg gibt es solche eigenständigen Formulare und dies wird auch nicht beworben. „Wir gehen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Jedoch möchten wir betonen, dass es nicht unsere Absicht ist, ein Klima der Überwachung zu schaffen“, sagte ein Sprecher der Stadt Rendsburg.

In Neumünster würde der Kommunale Ordnungsdienst einer Anzeigenflut von Privatpersonen gar nicht Herr werden. Denn es besteht so großer Personalmangel, dass im vergangenen Jahr in Neumünster schon weniger Knöllchen verteilt worden sind als 2022, wie Beitz bestätigt. Die Ordnungsbehörde habe ihr Personal vermehrt fürs Blitzen eingesetzt.

Beitrag der Stadt Neumünster sorgt für Empörung

Mit ihrem Social-Media-Aufruf hat die Stadt sich bei vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht beliebt gemacht. Nur sehr vereinzelt begrüßen einige den Besuch des „Anzeigenhauptmeisters“. „Vielleicht sollte man diese Meldung einfach mal sofort löschen und die Ideen noch mal kräftig überdenken“, schreibt die Anwältin und stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Neumünsters, Alexandra Breckwoldt.

Deutlicher wird der Vorsitzende des Landesverbands der Schausteller und Marktkaufleute, Stefan Wegener: „Stasi hat die Bedeutung erweitert: Stadtsicherheit! Ich fühle mich gerade um mehr als 35 Jahre zurückversetzt. Man sucht ganz offiziell nach IM“, kommentierte er.

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Ratsherr Jürgen Joost (Bürger für Neumünster) hat sich mit einem Schreiben an den Oberbürgermeister Tobias Bergmann und den Ersten Stadtrat Michael Knapp gewendet und die beiden zu einer Richtigstellung aufgefordert: „Dieser Facebook-Beitrag kommt einem Aufruf zur Denunziation gleich. Wir wollen keinen Staat, in dem Bürger offiziell dazu aufgerufen werden, sich gegenseitig zu überwachen. Solche Aufrufe stärken unseren freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat nicht, sie schwächen ihn“, so Joost.

KN

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