40 Jahre Hargassner: "Wir hätten mehr riskieren können!"
08.04.2024
Lesezeit: ca. 5 Minuten
Was hätte ein Unternehmer-Ehepaar, das offenkundig sehr viel richtig gemacht hat, eigentlich anders machen können? Eine Familiengeschichte von TGA-Chefredakteur Klaus Paukovits aus Anlass der 40-Jahr-Feier von Hargassner.
Hargassner ist ein Familienunternehmen durch und durch: Das merkte man auch bei der 40-Jahr-Feier am 5. April 2024. Das Gründerehepaar Elisabeth und Anton Hargassner stand dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Söhne und heutigen Geschäftsführer Anton jr. und Markus Hargassner. Auch der „Gründungsmythos“ des heutigen Großunternehmens, das über 1.200 Mitarbeiter*innen beschäftigt, liegt ganz tief im Herzen der Familie: Bekanntlich hat Anton Hargassner 1984 seiner Frau Elisabeth beim Neubau des Hauses eine Biomasse-Heizung versprochen, bei der sie „nie wieder wird nachlegen müssen“.
Um zu verstehen, wie groß dieses Versprechen damals war, muss man sich die gängige Technologie Anfang der 1980er-Jahre vor Augen führen: Damals war eine Ölheizung das Gebot der Stunde für alle, die es komfortabel warm haben wollten statt viel Zeit im Heizkeller verbringen wollten. Biomasse hieß noch Holz und wurde nur auf jenen bäuerlichen Anwesen verfeuert, die die Scheiterln aus dem eigenen Wald als günstige, aber aufwändige Wärmequelle nutzen wollten. Auch Elisabeth Hargassner wollte komfortabel heizen: Als Mutter von zwei Kindern im Vorschulalter und Ehefrau eines Baggerunternehmers, der große Teile seiner Freizeit als Tüftler im Sinne Daniel Düsentriebs in der Garage bei den Maschinen verbrachte, war eine automatische Heizung ihr größter Wunsch beim Neubau des Hauses.
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Zwei Generationen Hargassner (v.l.n.r.): Anton jun., Elisabeth, Anton sen., Markus.
Aber war es auch der einzige Wunsch? Was, wenn sich seine Ehefrau etwas anderes gewünscht hätte? „Dann hätte ich eben das gebaut“, antwortet Anton Hargassner auf diese Frage wie aus der Pistole geschossen, während Elisabeth noch nachdenkt. Aber nein, es gab tatsächlich keinen anderen, vergleichbar wichtigen Wunsch als den nach einer automatischen Heizung. An der Biomasse, also am Holz, für die Heizung führte für die junge Familie auch kein Weg vorbei, ein Ölkessel kam nicht in Frage: „Wir hatten keine Ölquelle, sondern eine Holzquelle im eigenen Wald. Daher gab es für mich keine Alternative“, so Anton.
Weng im Innkreis hat rund 1.300 Einwohner*innen: Mit 800 Beschäftigten am Hauptstandort ist Hargassner der wichtigste Arbeitgeber der Region.
- © HargassnerAus der ersten Eigenentwicklung für eine Hackschnitzelheizung mit automatischer Brennstoffzuführung via Drehschnecke, das noch dazu eine bis dahin bei Waldprodukten unbekannt saubere Verbrennung vorweisen konnte, wurde bald ein beliebtes Ausflugsziel für Häuslbauer der Umgebung, die sich das anschauen wollten. Patente, Gewerbeschein, Firmengründung und Serienfertigung folgten rasch, und damit der Erfolg. Wesentlich Anteil daran hatte auch der erste Vertriebspartner, der die Hargassner-Heizung aus Überzeugung und ohne Auftrag von Hargassner anzubieten begann: Karl Wimmer aus dem benachbarten Altheim betont dabei, dass er bis heute ausschließlich Hargassner-Heizungen und keine anderen Hersteller verbaut hat.
Der Start 1984 erfolgte im Ortsteil Gunderging / Weng im Innkreis.
Markus Hargassner, bei der Entwicklung seines Vaters gerade mal 5 Jahre alt, erinnerte sich daran, auch daran schon beteiligt gewesen zu sein: „Mein Vater hat zuerst mit hydraulischer Austragung experimentiert, ich hatte den Auftag den Schalter auf Zuruf auf Ein und Aus zu stellen.“ Die hydraulische Austragung sollte sich als zu aufwändig für kleinere Anlagen herausstellen, aber selbst die Beschäftigung damit war für Anton Hargassner sen. kein Fehlschlag: Hydraulische Austragung ist bis heute in Großanlagen das bevorzugte Mittel für Hackschnitzelheizungen, während sich in Einfamilienhäusern und bäuerlichen Anwesen die mechanische Austragung durchgesetzt hat.
Während das Familienunternehmen sich auf der einen Seite sehr bodenständig und traditionsverhaftet präsentiert, zeigt ein Rundgang durch die Produktionshallen ein anderes, wesentlich moderneres Bild: Hoher Automatisierungsgrad und ein hochwertiger Maschinenpark zeigen, warum der Biomasse-Spezialist die Turbulenzen am Markt – und von denen gab es in den letzten Jahrzehnten einige – so gut überstanden hat. Nach den Anfangsjahren der Einzelstückfertigung hat Hargassner 1989 die erste Produktionshalle gebaut und bereits mit einer CNC-Blechbearbeitungsmaschine ausgestattet. Der erste Schweißroboter folgte bereits kurz danach.
Warum hat jedoch Anton Hargassner so früh erkannt, dass serielle Produktion nur mit Automatisierung möglich sein würde? „Den ersten Schweißroboter habe ich bei Pöttinger Landmaschinenbau gesehen und sofort erkannt, dass das für uns das Richtige ist“, erinnert er sich. Auch das macht den erfolgreichen Unternehmer aus: Dass er den richtigen Lösungsweg früh erkennt und gute Ideen von anderen integriert.
Die hochautomatisierte Produktion ermöglicht hohe Fertigungstiefe.
Über 800 Mitarbeiter*innen am Hauptstandort in Weng und laufendes Wachstum beim Personalstand zeigen, dass hier Automatisierung nicht Arbeitsplätze vernichtet, sondern im Gegenteil das Wachstum überhaupt erst ermöglicht – abgesehen davon, dass ohnehin nicht genug Arbeitskräfte zu bekommen wären, um alles manuell zu bewerkstelligen. Das betont auch Anton Hofer, seit über 25 Jahren Produktmanager bei Hargassner und die wahrscheinlich wichtigste Person im Unternehmen, die nicht den Nachnamen Hargassner trägt. Der hochautomatisierte Maschinenpark, bei dem vorzugsweise Qualitätslieferanten aus Österreich wie etwa Trumpf Werkzeugmaschinen und Lasersysteme zum Einsatz kommen, ermöglicht große Fertigungstiefe am Standort.
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Derzeit werden bei Hargassner 40 Lehrlinge in verschiedensten Berufen ausgebildet.
Bei Hargassner in Wenig ist seit über 30 Jahren durchgehend Baustelle: Auch derzeit wird wieder, kurz nach der Eröffnung eines neuen Service-Centers mit 32.000 m2, schon wieder gebaut: Diesmal ist es das Ersatzteillager samt Werkstätten und Büroflächen, das den lokalen Bauunternehmen Arbeit verschafft und das noch heuer in Betrieb gehen soll. Mehr als 160.000 Kessel sind in 43 Ländern der Welt in Betrieb, die Exportrate beträgt 73 Prozent. Angesichts dieses Erfolgs stellt sich unwillkürlich die Frage: Wer so viel richtig gemacht hat, denkt der manchmal darüber nach was er vielleicht hätte anders, sogar noch besser machen können?
Auch auf diese Frage muss Anton Hargassner nicht lange nachdenken: „Wir hätten mehr riskieren können.“ Das Unternehmen habe immer nur das gekauft, was es auch zahlen konte. Vielleicht hätte er da mehr Vertrauen in die eigene Courage und in kreditgebende Banken haben können? Elisabeth Hargassner betont einen anderen Aspekt: „Wir haben sehr viel gearbeitet, das täte ich heute wahrscheinlich anders machen.“ Bis 1999, also die ersten 15 Jahre des Unternehmens, sei sie alleine im Büro gewesen und habe dort alles selber gemacht – und damals hatte die Firma schon fast 60 Mitarbeiter*innen. Also zieht sie heute den Schluss, dass sie sich mit dem Wissen von heute schon in den 1990ern „früher Entlastung geholt hätte“.
Anton und Elisabeth Hargassner, hier bei der Jubiläumsfeier mit Moderator Andreas Goldberger - der dem Firmengründer das Geständnis entlockte, früher selber mit dem Skispringen experimentiert zu haben. - © TGA / Paukovits
Das Gründerehepaar hat das Unternehmen 2020 an die beiden Söhne Markus und Anton jun. übergeben, die das Lebenswerk der Eltern gemeinsam fortführen. Der Lebensweg der beiden war ähnlich: Sie haben in anderen Betrieben gelernt und sind in ihren 20ern, mit einigen Jahren an Erfahrung aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen, von den Eltern zurück in den Betrieb geholt worden. Damit ist Hargassner auch noch ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche familieninterne Übergabe – auch etwas, das viele Firmen zwischen den Generationen nicht schaffen. Ob das in der DNA liegt, wird sich in 20-30 zeigen: Beide Geschäftsführer haben, so wie ihre Eltern, zwei Söhne …
1984: Firmengründung durch Anton und Elisabeth Hargassner1986: Der erste Messeauftritt1989: Anbau der ersten Produktionshalle1990: Erste CNC Blechbearbeitungsmaschine1991: Erstern Innovationspreis & 10er Mitarbeiter1992: Der erste Schweißroboter1995: Ausbau des Vertriebs in Italien und der Schweiz1998: Entwicklung der ersten Pelletheizung2001: Lieferung der ersten Hackgutanlage nach Kanada2002: Spatenstich für den neuen Firmensitz2011: Entwicklung des ersten Stückholzkessels2019: Eröffnung des neuen Verwaltungszentrums „Hargassner Energy World“ - 350 Mitarbeiter*innen2020: Übergabe durch Anton und Elisabeth Hargassner an die Söhne Markus und Anton jun.2021 Übernahme der Firma Gilles in Lenzing, Gründung von „Hargassner Industry“2022: Übernahme der Firma ThermoSolar und Aufnahme von thermischen Solarkollektoren2023: Übernahme des polnischen Wärmepumpen-Marktführers „HT Heiztechnik“2024: Einführung der ersten Wärmepumpe - 1.250 Mitarbeiter*innen
Erstveröffentlichung
08.04.2024
Letzte Aktualisierung
08.04.2024