Jahrestag der Pogromnacht Berlins Bürgermeister Wegner beklagt ...

3 Tage vor

Am 9. November 1938 brannten in Nazideutschland Synagogen, wurden jüdische Geschäfte geplündert und zerstört. Politiker sehen diesen Tag als Mahnung, auch heute Antisemitismus »konsequent entgegenzutreten«.

Antisemitismus - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

09.11.2024, 14.04 Uhr

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin: »Antisemitismus ist auch heute noch eine Realität, leider auch in unserer Stadt, auf unseren Straßen«

Foto: Christoph Soeder / dpa

86 Jahre nach den Novemberpogromen der Nazis gegen die jüdische Bevölkerung hat Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner Antisemitismus in der heutigen Zeit beklagt. »Antisemitismus ist auch heute noch eine Realität, leider auch in unserer Stadt, auf unseren Straßen«, erklärte der CDU-Politiker.

Der Berliner Senat tue alles dafür, dass dieser Hass keinen Raum finde. »Doch es bleibt die Aufgabe von uns allen, Judenhass konsequent entgegenzutreten – unabhängig davon, aus welcher Richtung er kommt und wo er stattfindet«, sagte Wegner. »Nur so können wir der Verantwortung gerecht werden, die unsere Geschichte uns auferlegt.«

Ähnlich äußerte sich Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Der 9. November 1938 markiere den Beginn der systematischen Verfolgung der Juden, die schließlich in den Holocaust mündete, erklärte sie. »Die Erinnerung an diese Nacht mahnt uns, wachsam gegen Antisemitismus, Hass und Hetze zu bleiben – heute und an jedem Tag.«

»Angriffe auf unser friedliches Zusammenleben«

Auch heute werde – mitten in Berlin – jüdisches Leben bedroht. »Erst kürzlich kam es zu Angriffen auf Spieler des Sportvereins TuS Makkabi Berlin . Diese Taten zeigen, dass antisemitische Gewalt und Diskriminierung auch in unserer Stadt nicht verschwunden sind«, sagte Spranger.

»Solche Angriffe sind auch Angriffe auf unser friedliches Zusammenleben und auf die Vielfalt, die unsere Stadt so stark macht. Hass, Hetze und Angriffe gegenüber jüdischen und israelischen Mitbürgern sind absolut inakzeptabel.« Wer Menschen attackiere, müsse mit der vollen Härte des Rechtsstaates rechnen. »Wir setzen alles daran, dass jüdisches Leben in Berlin sicher ist und bleibt.«

Am 9. November wird bundesweit an die Opfer der nationalsozialistischen Pogrome und an die systematische Ermordung der europäischen Juden erinnert. In der Nacht auf den 10. November 1938 waren im Deutschen Reich Synagogen in Brand gesetzt, jüdische Geschäfte geplündert und zerstört worden. Unter den Nationalsozialisten begannen direkte und gezielte Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung. In ganz Deutschland wurden Jüdinnen und Juden misshandelt, willkürlich verhaftet und ermordet.

Solche gewalttätigen Verfolgungen, die sich gegen Minderheiten in einem Staat richten, bezeichnet man laut der Bundeszentrale für politische Bildung als Pogrome; das Wort komme aus dem Russischen und bedeute Verwüstung, Unwetter.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) forderte dazu auf, jüdisches Leben in Deutschland zu fördern und zu schützen. »Jüdinnen und Juden haben einen festen Platz in der Hamburger Stadtgesellschaft. Wir dulden keinen Antisemitismus«, schrieb Tschentscher auf X.

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Mit Lichtern an den Stolpersteinen wollen die Menschen am Abend an die Pogromnacht der Nationalsozialisten erinnern. Außerdem ist um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung am Standort der ehemaligen Bornplatzsynagoge geplant. Sie soll wieder aufgebaut und zu einem neuen Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburg werden.

Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, wies auf Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden vor allem im Internet hin. Der Antisemitismus sei in Baden-Württemberg nie verschwunden gewesen, schreibt Blume in einem Gastbeitrag für die »Badischen Neuesten Nachrichten« . »Er kehrt jetzt als Antizionismus mit digitaler Wucht zurück. Daher möchte ich an diesem 9. November nicht nur an die Schrecken der Vergangenheit erinnern, sondern auch auf die Bedrohungen hinweisen, die Jüdinnen und Juden heute im neuen Gewand erfahren müssen.«

Unter Antisemitismus versteht man feindselige oder hasserfüllte Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber den Juden und Jüdinnen. Der Antizionismus ist eine politische Ideologie, die sich letztlich gegen den Staat Israel als jüdischen Staat wendet.

»Immer wieder schwappt dieser Hass auch auf die Straße«

»Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Angriffe gegen Jüdinnen und Juden und gegen jüdische Einrichtungen steigen rasant an«, schreibt Blume. »Im Internet werden sie täglich beleidigt und bedroht. Und immer wieder schwappt dieser Hass auch auf die Straße.«

Heute eskalierten auch in Baden-Württemberg antisemitische Bedrohungen und Gewalttaten, besonders betroffen seien Universitätsstädte. »Das erinnert daran, dass formale Bildung alleine nie vor Verschwörungsglauben geschützt hat.«

Zuerst in Washington oder Berlin, inzwischen aber auch etwa in Mannheim und Heidelberg, erlebten unter anderem jüdische Studierende den Vormarsch des Antisemitismus in ihrem Alltag, betont Blume. »Sie werden digital mit Hamas-Zeichen markiert, und der barbarische Terror des 7. Oktober wird vor ihren Augen als Befreiungskampf gefeiert.« Einige jüdische Studierende versteckten inzwischen religiöse Symbole und Kleidungsstücke, manchen falle die Fortsetzung des Studiums zunehmend schwer.

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