Klimakonferenz: Baerbock wirft fossilen Staaten Machtspiel vor
Stand: 23.11.2024 14:58 Uhr
Auf dem UN-Klimagipfel in Baku spitzt sich der Streit zu. Außenministerin Baerbock kritisierte Machtspiele zulasten der armen Länder. Es geht vor allem um die Aufstockung von Geldern für die Entwicklungsländer. Einige Länder haben den Saal verlassen.
Bei der UN-Klimakonferenz in Baku ist weiter keine Einigung in Sicht, sogar ein Scheitern des Gipfels steht Beobachtern zufolge im Raum. Die Gruppen der Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder haben nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa den Verhandlungssaal verlassen.
Aus EU-Delegationskreisen wurde dies bestätigt, es hieß es aber, man gehe davon aus, dass die Verhandlungen noch weitergehen würden. Einer dpa-Reporterin zufolge verließen etliche Ländervertreter einen großen Verhandlungsraum - eine Vertreterin rief auf die Frage nach einer Einigung laut: "Abgelehnt!"
Zuvor hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock die Präsidentschaft des Gastgeberlandes Aserbaidschan ungewöhnlich scharf angegriffen und den reichen Ölstaaten Täuschungsmanöver vorgeworfen. "Wir Europäer werden nicht zulassen, dass die verletzlichsten Staaten auf der Welt, insbesondere die kleinen Inselstaaten, von einigen der neuen fossilen und reichen Emittenten jetzt hier über den Tisch gezogen werden. Und das im Zweifel auch noch auch mit Rückendeckung der COP-Präsidentschaft", sagte die Grünen-Politikerin.
Baerbock: Vorerst wird weiter verhandeltDie gesundheitlich angeschlagene Ministerin blieb anders als zwischenzeitlich geplant doch vor Ort in Baku. Sie kündigte an, dass vorerst weiter verhandelt werde. "Wir als Europäerinnen und Europäer arbeiten daher jetzt intensiv in jeder Minute daran, weiter Brücken zu bauen." Dazu sei sie als deutsche Außenministerin und Verhandlungsführerin gemeinsam mit der EU-Delegation und anderen wichtigen Gruppen in Gesprächen - vor allem mit den Inselstaaten, mit lateinamerikanischen Staaten und afrikanischen Staaten. "Gerade auch, weil die Anliegen dieser Länder leider von der Präsidentschaft bisher ignoriert worden sind."
Baerbock warnte davor, im Ringen um die Aufstockung von Klimahilfen zugunsten ärmerer Staaten im Gegenzug Rückschritte bei Beschlüssen aus dem vergangenen Jahr zum Klimaschutz zu machen. Klimahilfen und die Verringerung klimaschädlicher Emissionen "gehören aufs Engste zusammen", sagte Baerbock – denn "Money alone won't save the world" ("Geld allein wird die Welt nicht retten"), fügte sie hinzu.
"Auch die großen und reichen Emittenten"Zur Forderung von Entwicklungsstaaten, jährlich Billionen US-Dollar an Klimahilfen zu mobilisieren, sagte sie, dafür müssten jetzt alle großen Emittenten von Treibhausgasen mit ins Boot - "vor allen Dingen auch die großen und reichen neuen Emittenten". Schon zuvor hatte sie gefordert, dass etwa China, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten, die mit Öl, Gas und Kohle viel verdient haben, in den Geberkreis gehörten.
Baerbock sagte: "Ich bin mir sicher: Was wir hier sehen, ist ein letztes Aufbäumen der alten fossilen Welt. Was wir brauchen für unsere Zukunft, ist eine Koalition über Kontinente hinweg."
Beobachtern zufolge hatte insbesondere Saudi-Arabien während der zweiwöchigen Verhandlungen gemeinsam mit einigen großen autoritären Staaten versucht, schon gefasste Beschlüsse für den Klimaschutz zurückzudrehen.
Ein Vorschlag der aserbaidschanischen Präsidentschaft der Konferenz vom Freitag sah eine Aufstockung der Mittel auf 250 Milliarden Dollar jährlich vor, wobei die Industriestaaten "die Führung übernehmen" sollten. Dies war von Entwicklungsländern als unzureichend zurückgewiesen worden. Neben dem Betrag stören sie sich auch an der unklaren Beschreibung des Geberkreises.
Industriestaaten erhöhen offenbar AngebotDie EU ist jetzt aber offensichtlich bereit, ihr Angebot aufzustocken. Genannt wurde von einigen EU-Delegierten ein jährlicher Betrag von 300 Milliarden Dollar (287 Milliarden Euro), der bis 2035 erreicht werden solle. Eine offizielle Bestätigung für eine solche gemeinsame Linie der EU-Staaten gab es noch nicht.
Abhängig ist der Betrag den Angaben zufolge auch von der Ausgestaltung des Finanzrahmens, also welche Beiträge wie angerechnet werden, sowie von der Erfüllung von Forderungen nach weiteren Verbesserungen in den Beschlusstexten.
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass neben der EU auch die USA und andere reiche Länder ihr bisheriges Angebot leicht aufgebessert haben. Die Angaben zu der Summe decken sich: Die Staaten seien nun bereit, ihre jährlichen Zahlungen bis 2035 auf 300 Milliarden Dollar zu erhöhen, hieß es unter Berufung auf fünf mit den Gesprächen vertrauten Personen.
NGOs richten Appell an EntwicklungsländerSollten die Industrieländer ihre Klimafinanzierungszusage nicht nachbessern, forderten mehr als 300 Nichtregierungsorganisationen die Entwicklungsländer zum Verlassen der Konferenz auf. "Keine Vereinbarung in Baku ist besser als eine schlechte Vereinbarung", schrieben 335 NGOs in einem Brief an die sogenannte G77+-Gruppe, der mehr als 130 Entwicklungsländer sowie China angehören.
"Wenn nichts ausreichend Starkes bei dieser COP vorgeschlagen wird, rufen wir Sie auf, den Tisch zu verlassen, um an einem anderen Tag weiter zu kämpfen", hieß es weiter. Die derzeit vorliegenden Beschlussentwürfe seien "eine sehr, sehr schlechte Vereinbarung wegen der Unnachgiebigkeit der entwickelten Länder".
300 Milliarden Dollar als Kompromiss?Die Entwicklungsländer beziffern ihren Bedarf zur Finanzierung auf 1,3 Billionen Dollar jährlich bis 2035. Auf der Konferenz forderten sie mindestens 500 Milliarden Dollar an Beiträgen der Industriestaaten bis 2030.
Der Betrag von 300 Milliarden Dollar bis 2035 war auch von UN-Experten als mögliche Kompromisslinie vorgeschlagen worden. In den bisherigen Beschlussentwürfen findet sich auch der Betrag von 1,3 Billionen Dollar, allerdings nur als vages, übergeordnetes Finanzziel. Aktuell beträgt der Beitrag der Industriestaaten zur Klimafinanzierung 100 Milliarden Dollar (95,8 Milliarden Euro), ein Teil davon als Kredit sowie aus privaten Quellen.
Die Industriestaaten drängen vor allem auf eine Verbreiterung der Geberbasis für den Finanzrahmen und auf eine Bekräftigung der Beschlüsse der UN-Konferenz 2023 in Dubai zur Abkehr von fossilen Energieträgern und zum Ausbau Erneuerbarer Energien.