Erste Schritte an der Spitze
Babler muss die Partei einen. Das sagt der neue SPÖ-Vorsitzende selbst, das sagen Parteifunktionäre, das sagen Kommentatoren. Die SPÖ zu einem "Comeback" führen, will der neue Mann an der Spitze der Sozialdemokratie, den "Drive" der vergangenen Tage ausleben. Doch hinter diesen Optimismus versprühenden Worthülsen verbergen sich zahlreiche praktische Fragen, die Andreas Babler in den kommenden Tagen und Wochen klären muss. Neben einer geplanten Vorstellungsrunde quer durch alle Bezirke müssen auch personelle und inhaltliche Weichen gestellt und parteiinterne Skeptiker überzeugt werden.
Babler machte sich jedenfalls unmittelbar nach der Bestätigung seiner Wahl am Dienstag an die Arbeit. Nachdem er sich am Abend den Österreicherinnen und Österreichern erstmals in seiner neuen Rolle im "ZiB2"-Interview präsentiert hatte, machte er am Mittwochvormittag Halt in der Parteizentrale in der Löwelstraße. Rund eine Stunde lang tauschte er sich dort mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus und bestimmte Christian Sapetschnig, bisher Leiter der Organisationsabteilung, als interimistischen Ansprechpartner in der Parteizentrale, bis feststeht, wer dem zurückgetretenen Christian Deutsch als Bundesgeschäftsführer nachfolgen soll.
Babler kann nicht Klubchef werdenDas ist aber nicht die einzige zentrale Personalentscheidung, die in der SPÖ nun ansteht. Denn durch den Rücktritt Pamela Rendi-Wagners ist auch der Posten der Klubchefin im Nationalrat vakant. Babler selbst kann die Rolle nicht übernehmen, denn der Name des Traiskirchner Bürgermeisters stand auf keiner Liste bei der Nationalratswahl. Auch wenn Babler mittlerweile im Bundesrat sitzt, fehlt ihm bis zur nächsten Nationalratswahl eine nicht unwichtige Bühne, um sich und sein Programm der Partei ebenso zu präsentieren wie Medienvertretern und dem Fernsehpublikum. Wer auch immer künftig an der Spitze des Parlamentsklubs steht, muss die Babler-SPÖ also in Abwesenheit ihres Vorsitzenden repräsentieren. Eine Entscheidung wird wohl bei der Klubvollversammlung kommenden Dienstag fallen.
Nach dem Parteipräsidium am Mittwoch wurden jedenfalls noch keine Personalentscheidungen verkündet. Dafür einigte man sich auf einen vorgezogenen Parteitag im Spätherbst 2023. Dort sollen nicht nur die Gremien neu gewählt, sondern auch mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Parteimitglieder in den Statuten festgeschrieben werden. Gelingt Letzteres, wäre das ein bedeutender Erfolg für Babler, galt dieser doch als "Kandidat der Basis" und hat sich deren stärkere Einbindung an die Fahnen geheftet.
Die Basis will Babler auch bei seiner angekündigten Tour über die Sommermonate ansprechen; in jedem österreichischen Bezirk ist ein Stopp geplant. Dabei gilt es freilich auch, Skeptiker zu überzeugen - immerhin haben zwei Drittel der Mitglieder bei der Befragung Babler nicht gewählt.
Auch seine Vorgängerin Rendi-Wagner war in ihrer ersten Phase als Vorsitzende bemüht, sich möglichst großen Teilen der Partei vorzustellen. Das brachte ihr zwar Sympathien ein, doch so richtig fest im Sattel schien sie in ihren viereinhalb Jahren an der Spitze der Genossen nie zu sitzen. Babler muss das besser gelingen, wenn er die Partei - wie so oft betont - einen will.
Auffassungsunterschiede beim Thema AsylDoch Babler wird nicht nur die Basis, sondern auch die Spitzenfunktionäre der Sozialdemokratie hinter sich vereinen müssen. Vor allem die Unterstützerinnen und Unterstützer seines am Parteitag unterlegenen Herausforderers Hans Peter Doskozil werden Bablers erste Schritte an der Parteispitze mit Argusaugen beobachten - und wohl auch Mitbestimmung bei den Geschicken der Partei einfordern. Immerhin war es Doskozil, der die Mitgliederbefragung knapp gewonnen hatte.
Auch inhaltlich gibt es für die Genossen nach dem parteiinternen Wahlkampf einiges zu klären. Babler ist zu betonen bemüht, dass die Auffassungsunterschiede weniger groß sind als oft dargestellt. Etwa beim Thema Asyl, das innerhalb der SPÖ seit Jahren für Querelen sorgt. Doskozil stand für einen härteren Kurs und arbeitete gemeinsam mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser 2018 ein Positionspapier aus, das später zur Parteilinie erklärt wurde. Babler will dieses nun wohl überarbeiten - bisher beinhalte das Programm vor allem Überschriften und sei daher wenig praxistauglich, sagte er in Interviews. Aus Tirol kam dazu bereits der erste Zwischenruf: "Ich habe meine Vorstellung von der Ausrichtung der Partei, und ich habe meine Migrationspolitik im Land Tirol und werde das auch artikulieren", verkündete der Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer im Ö1-"Morgenjournal".
Der Salzburger SPÖ-Chef David Egger ließ den neuen Vorsitzenden wiederum im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil" wissen, die von Babler angestrebte 32-Stunden-Woche sei nicht unbedingt Parteilinie - auch hier gibt es also parteiinternen Gesprächsbedarf.
Symbolisch für die Probleme, die sich Babler noch stellen dürften, ist auch die Ankündigung von Alfredo Rosenmaier, langjähriger Bürgermeister der niederösterreichischen Gemeinde Ebenfurth, seine Parteimitgliedschaft ruhend zu stellen. "Einen bekennenden Kommunisten an der Spitze unserer Bewegung kann und werde ich nicht akzeptieren", zitiert der "Kurier" den Bürgermeister. Bablers Äußerungen, der Marxismus sei "eine gute Brille, um auf die Welt zu schauen", dürften also nicht bei allen Genossen gut angekommen sein.
Auch der Umgang mit der ÖVP könnte innerhalb der Sozialdemokratie zur Gretchenfrage werden. Auch Doskozil hatte im Vorfeld angekündigt, eine Koalition mit der FPÖ auszuschließen und eine solche ohne die ÖVP zu präferieren. Auch Babler betonte das stets - die Volkspartei habe sich "radikalisiert" und sei derzeit nicht koalitionsfähig, sagte er etwa gegenüber "Puls24". Völlig ausschließen wollte er eine rot-türkise Zusammenarbeit im "ZiB2"-Interview zwar nicht, nannte aber etwa Vermögenssteuern als Koalitionsbedingung. Ob alle in der Partei rote Linien dieser Art befürworten oder zugunsten einer möglichen Regierungsbeteiligung stärker auf Kompromisse pochen werden, wird sich zeigen.
Bleibt Babler Bürgermeister von Traiskirchen?Denn schon nach den Landtagswahlen der vergangenen Monate hatten die SPÖ-Landeschefs in Bezug auf die ÖVP gegensätzlich gehandelt. Einigte man sich in Kärnten und Tirol schnell auf eine Zusammenarbeit, knüpfte Sven Hergovich in Niederösterreich eine mögliche Koalition an eine Liste von Bedingungen. Als die Partei von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner diese nicht erfüllen wollte, verzichtete Hergvich auf den Stellvertretersessel. Hergovich, der bisher als Unterstützer Doskozils galt, hat dem Traiskirchner Bürgermeister mittlerweile übrigens seine "volle Unterstützung" zugesichert.
Apropos Bürgermeister: Auch auf die Frage, ob Babler den Parteivorsitz mit seinem bisherigen Amt vereinbaren kann, wird er eine Antwort finden müssen. Bisher zeigte er sich zuversichtlich, dass er seiner Gemeinde fürs Erste erhalten bleiben wird.