Neues Alzheimer-Medikament zugelassen – Experten hoffnungsvoll

4 Stunden vor

Berlin. Das Alzheimer-Medikament Lecanemab kommt in Deutschland auf den Markt. Es kann laut Studien das Fortschreiten der Krankheit bremsen.

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Foto Berliner Morgenpost

Im Juli hatte sich die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) noch dagegen entschieden, jetzt ist sie umgeschwenkt: Nach erneuter Prüfung hat sie zumindest eine beschränkte Zulassung für das Alzheimer-Medikament Lecanemab (Handelsname Leqembi) empfohlen. Der Antikörper kann die Erkrankung nicht heilen, sondern verlangsamt ihr Fortschreiten. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Alzheimer: Wie funktioniert Lecanemab?

Nach bisherigen Erkenntnissen steht die Alzheimer-Erkrankung in Zusammenhang mit Eiweißablagerungen im Gehirn, die als Amyloid oder Tau bezeichnet werden. Die Anhäufung von Amyloid ist ein Schlüssel bei der Entstehung von Schädigungen des Gehirns. Nerven sterben ab, die kognitiven Leistungen nehmen ab, bis Betroffene quasi in das Entwicklungsstadium eines Kleinkindes zurückfallen. 2023 starben laut dem Statistischen Bundesamt 10.100 Menschen in Deutschland an Alzheimer-Demenz. Etwa 160.000 Neudiagnosen gibt es pro Jahr.

Die Therapie mit Lecanemab muss regelmäßig per MRT beobachtet werden. © Getty Images | haydenbird

Der Ansatz besteht darin, eine Abwehr des Körpers gegen die Ablagerungen im Gehirn hervorzurufen. „Der Körper kann etwas Fremdes erkennen und dagegen Antikörper bilden, die dann die Abwehrreaktion auslösen“, erklärt Walter J. Schulz-Schaeffer, Neuropathologe am Uniklinikum des Saarlandes. Die Idee, Antikörper gegen Amyloid zu finden und zu verabreichen, gibt es seit Jahren. Bisher waren Studien dazu aber enttäuschend – der erhoffte Effekt im Hinblick auf die Verlangsamung des geistigen Abbaus konnte nicht nachgewiesen werden. Die getesteten Antikörper Aducanumab und Gantenerumab richteten sich dabei gegen das verklumpte Amyloid selbst.

Lecanemab wirkt anders und bekämpft die toxischen Zwischenprodukte, winzige Bestandteile der Amyloid-Zellen. Lecanemab wird per Infusion gegeben, die Therapie muss dann regelmäßig per MRT-Bildgebung überwacht werden. Laut Experten sollen die Kosten für das Mittel pro Jahr bei etwa 25.000 Euro liegen.

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Es gibt mittlerweile bis zu 20 Studien mit etwas mehr als 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die bekannteste ist jene, die im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde. 1795 Personen mit einer Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium erhielten alle zwei Wochen Lecanemab oder ein Scheinmedikament.

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Foto Berliner Morgenpost

Nach 18 Monaten wurde der Effekt auf den CDR-SB-Score erhoben, ein etablierter Wert zur Einschätzung der Schwere von Demenz. Dieser berücksichtigt Faktoren wie Gedächtnis, Urteils- und Problemlösungsvermögen oder die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen. Bei Studienbeginn lag der mittlere Wert in beiden Gruppen bei etwa 3,2. Je niedriger dieser Wert ist, desto besser. Nach 18 Monaten war der Unterschied zwischen den Gruppen laut Studie beträchtlich: 0,45 Punkte. 

Was bedeuten die Studien-Ergebnisse für Alzheimer-Patienten?

„Der Erkrankungsfortschritt wurde um 27 Prozent verlangsamt, bei den Aktivitäten des täglichen Lebens machte der Unterschied 37 Prozent aus“, sagt Jörg Schulz von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Auch die gemessene Amyloid-Last sei sehr deutlich reduziert worden.

Das Alzheimer-Medikament Lecanemab (Handelsname Leqembi) wird in der EU beschränkt zugelassen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Nicht ganz sicher ist, wie relevant dieser Effekt klinisch ist. Demenzforscher Stefan Teipel geht davon aus, dass der Patient davon wahrscheinlich wenig merke. „Allerdings muss man da auch einen längeren Zeitraum bedenken.“ Wenn der Effekt fortdauere, würde die Verlangsamung der Krankheit über die Zeit noch relevanter werden.

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Die DGN ist da positiver. „Die Studien liefen über 18 Monate und es zeigte sich eine Verlangsamung bei der Progression von sechs Monaten. Wir haben noch keinen Beweis dafür, aber es besteht die Hoffnung, dass bei einer Einnahmedauer von 36 Monaten womöglich auch zwölf Monate Lebenszeit ohne Einschränkungen gewonnen werden können“, sagt DGN-Generalsekretär Peter Berlit. „Wir glauben, dass man nach gemeinsamer Abwägung des individuellen Nutzen-Risiko-Profils Betroffenen den Zugang zu dieser Therapie nicht verwehren darf und freuen uns über die Positiv-Empfehlung der EMA.“

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Die Therapie ist nur geeignet für Patienten mit einer milden kognitiven Beeinträchtigung oder einer leichten Demenz im Frühstadium. Patienten mit ausgeprägtem Krankheitsbild oder einer anderen Form von Demenz als Alzheimer profitierten nicht von der Therapie. Darüber hinaus machte die EMA eine weitere Einschränkung: Lecanemab darf nur bei Patienten eingesetzt werden, die eine oder gar keine Kopie des Proteins ApoE4 in sich tragen, das als genetischer Risikofaktor gilt. Diese Patienten hätten ein geringeres Risiko für schwere Nebenwirkungen.

Was sind die Nebenwirkungen der Therapie?

Laut Studie traten unter der Behandlung Nebenwirkungen auf, darunter Hirnschwellungen und -blutungen. Insgesamt lasse sich aus den Daten aber ein positives Nutzen-Risiko-Profil ableiten, so die DGN. Die Rate der Todesfälle, die auf die Gabe des Antikörpers zurückzuführen waren, sei für Lecanemab mit 0,1 Prozent beziffert worden.

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Was erhoffen sich Experten noch von der beschränkten Zulassung?

Die DGN erhofft sich strukturelle Verbesserungen bei der Frühdiagnostik. „Damit alle Betroffenen, die es wünschen, auch rechtzeitig eine gesicherte Diagnose erhalten und der Antikörper-Therapie zugeführt werden können, ist ein Ausbau der Kapazitäten für die Früherkennung notwendig“, sagt Berlit. Konkret gelte das für die Untersuchung von Nervenwasser und Hirnscans. Noch gebe es keinen zugelassenen Bluttest auf Alzheimer.

Wann ist mit einer Zulassung der Alzheimer-Therapie zu rechnen?

Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) geht davon aus, dass das Mittel relativ schnell in Deutschland verfügbar sein wird. Allerdings dürfte es dann noch eine Weile dauern, bis es an den Fachzentren eine abgestimmte Einführung der Therapie gibt.

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