EU erteilt die Zulassung für Alzheimer-Medikament Leqembi

Inhalt Neues Medikament Leqembi: eine Revolution in der Alzheimer-Forschung?

Die EU gibt grünes Licht für ein Medikament, das Alzheimer verlangsamen kann. Hergestellt wird das Medikament im solothurnischen Luterbach, von der Schweizer Zweigstelle des US-Medikamentenherstellers Biogen. Das Medikament sorgt dafür, dass die Gehirnleistung bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium nicht so schnell abnimmt.

Alzheimer-Medikament - Figure 1
Foto Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)

Bogdan Draganski

Leiter der universitären Memory Klinik am Berner Inselspital

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Bogdan Draganski hat 1996 an der Humboldt Universität Berlin das Studium in Humanmedizin abgeschlossen und promovierte im Jahr 2001. Nach seiner Facharztausbildung in Deutschland forschte er zu den Mechanismen der Hirnplastizität am Institute of Neurology, UCL London, gefolgt von Arbeiten zur Neurodegeneration am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig.

Seit 2010 war er Professor und leitender Arzt an der Neurologischen Universitätsklinik Lausanne tätig. Seit Juni 2024 ist Draganski an der Universität Bern tätig.

SRF News: Wie wirkt das nun auch in der EU zur Zulassung empfohlene Medikament? 

Bogdan Draganski: Die Rede ist von LecanEmap oder Leqembi. Das sind sogenannte Immunmodulatoren. Das heisst, es interagiert mit dem Immunsystem. Dort setzt sich das Medikament an die schlechten Proteine an, welche die Alzheimerdemenz hervorrufen, das sogenannte Amyloidprotein, und dieses aus dem Gehirn ausschwemmt.

Und wie erfolgversprechend ist dieser Ansatz in Ihren Augen? 

Wenn wir uns Patienten anschauen, die das Medikament erhalten haben, dann sehen wir, dass das schlechte Protein innerhalb von ein paar Wochen viel weniger vorhanden ist. Tatsächlich ist das Medikament sehr effizient, was die Befreiung von diesem Protein betrifft. Die zweite Frage ist, inwiefern das auch zu einer spürbaren Verhaltensverbesserung führt. Da müssen wir feststellen, dass es zwar signifikant ist, aber wir können nicht sagen, dass die Demenz weg ist.

Das ist eine Revolution in unserem Fachbereich. Seit Jahrzehnten warten Ärzte, aber auch Patienten sowie Angehörige, dass in der Alzheimerforschung etwas passiert.

Alzheimer-Medikament - Figure 2
Foto Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)

Ich muss betonen: Das ist schon eine Revolution in unserem Fachbereich. Seit Jahrzehnten warten wir Ärzte, aber auch Patienten sowie Angehörige, dass in der Alzheimerforschung etwas passiert. Hier geht es um eine der vielen Demenzvarianten, die am häufigsten ist: die Alzheimer-Demenz. Mit dem Medikament können wir tatsächlich ohne grosse Nebenwirkungen eine gute Lebensqualität für etliche Monate bieten.  

Legende: Die Wirkung des Alzheimer-Medikamentes wirkt nach wenigen Wochen. Das sei eine Revolution in der Alzheimerforschung, so Draganski Keystone/EVAN VUCCI

Was sind denn mögliche Nebenwirkungen?

Also es geht um eine Reihe an genetischen und nicht genetischen Faktoren, die ein höheres Risiko für Nebenwirkungen darstellen. Und die sind gut bekannt bei den Ärzten. Das heisst: Nicht jeder Patient erfüllt die Kriterien. Aber sonst sind die Nebenwirkungen überschaubar. Da geht es um die typischen Nebenwirkungen, die wir auch mit diesen Immunmodulatoren auch bei krebserkrankten Patienten sehen, dass es zu Schwellungen und zu kleineren Einblutungen im Gehirn kommt. Das klingt dramatisch, aber das ist überschaubar. Wenn man die Medikamente kurz absetzt, dann ist das auch meist ohne grosse Folgen für die Patienten. 

Im Sommer hat die EU-Zulassungsbehörde die Zulassung noch abgelehnt. Weshalb hat sie ihre Meinung geändert? 

Die erfreuliche Nachricht hat mich persönlich auch sehr überrascht. Es gab diese zwei Punkte: Zum einen gab es bei der negativen Empfehlung im Juli von der Europäischen Arzneimittelbehörde die Überlegung, dass die positiven Effekte nicht die Nebenwirkungen überwiegen. Aber mittlerweile haben wir mehr Daten und mehr Erfahrung von Ländern, wo das Medikament schon zugelassen ist. Etwa in den USA, China, Japan oder Israel. Das heisst, womöglich bekamen die Behörden mehr positive Daten.

Die zweite Überlegung war wohl, inwiefern auch die Mediziner und die Ärzteschaft, die sich mit dieser Problematik beschäftigt, schon bereit ist und gut Bescheid weiss über Nebenwirkungen. Und ist das System auch bereit, diese potenziellen Nebenwirkungen abzufangen? Ich denke, das waren die Überlegungen – nicht nur finanzielle und ökonomische, sondern auch ethische.

Das Gespräch führte unser Tobia Bühlmann.

SRF 4 News, 15.11.2024; 16:15 Uhr ;  SRF/horm;sche

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