Kontroverse Studie: Ist Alzheimer ansteckend?

30 Jan 2024

Hormontherapie unter Verdacht

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Alzheimer ansteckend Studie - Figure 1
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Millionen Menschen in Deutschland sind von Alzheimer betroffen.

© Quelle: Patrick Pleul/ dpa

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Eine neue Studie heizt die Diskussion wieder an, ob Alzheimer von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Sie stammt von Forschenden aus Großbritannien und legt eine potenzielle Übertragung durch medizinische Eingriffe nahe. Doch andere Expertinnen und Experten sind skeptisch.

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Knapp zwei Millionen Menschen in Deutschland leben mit Demenz. Die meisten von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Bei dieser Erkrankung bauen sich Nervenzellen im Gehirn ab, was dazu führt, dass die Betroffenen unter anderem unter Sprachstörungen, Orientierungslosigkeit und Gedächtnisverlust leiden.

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Unter bestimmten Bedingungen kann Alzheimer sogar übertragbar sein, wie ein Forscherteam um John Collinge vom Institut für Prion Diseases in London herausgefunden hat. Seine Ergebnisse sind am Montag im Fachmagazin „Nature Medicine“ erschienen.

Hormontherapie verursacht seltene Hirnerkrankung

Die Analyse der Forschenden basiert auf acht Patientinnen und Patienten, die in ihrer Kindheit Wachstumshormone bekommen hatten. Diese Hormone stammten aus dem Hirngewebe von Verstorbenen – eine weltweit gängige Praxis in den 1950er- bis 1980er-Jahren. Als jedoch 1985 bekannt wurde, dass einige der mit den Hormonen behandelten Patientinnen und Patienten die Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK), eine seltene Hirnerkrankung, entwickelten, wurde die Therapie eingestellt.

Alzheimer ansteckend Studie - Figure 2
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Die acht Probandinnen und Probanden, die Collinge und seine Kolleginnen und Kollegen in ihre Studie einbezogen, waren nicht an CJK erkrankt. Aber fünf von ihnen wiesen im Alter von 38 bis 55 Jahren Symptome auf, die mit einer früh einsetzenden Demenz übereinstimmten und diagnostische Kriterien für Alzheimer erfüllten. Blutuntersuchungen konnten bei zwei Patientinnen und Patienten den Alzheimerverdacht bestätigen. Eine der übrigen drei Personen zeigte Symptome einer leichten kognitive Beeinträchtigung, eine andere hatte nur subjektive kognitive Symptome und die dritte war symptomlos.

Insgesamt drei der acht Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer verstarben während des Untersuchungszeitraums. Als man die Leichen später obduzierte, fanden sich im Gehirn einer verstorbenen Person klare Anzeichen für eine Alzheimererkrankung.

Amyloid-β-Proteine in Gehirnen gefunden

Schon 2015 fanden die Forschenden Hinweise für eine Übertragung von Alzheimer. Damals hatten sie Gehirnproben von Personen untersucht, die als Kind eine Hormontherapie erhalten hatten und an CJK verstorben waren. Darin fanden sie Amyloid-β-Proteine, die mit der Alzheimererkrankung in Verbindung stehen. Mit dieser Studie hatten Collinge und sein Team eine hitzige Diskussion entfacht: „Ist Alzheimer ansteckend?“, titelte daraufhin etwa die britische Tageszeitung „Daily Mail“.

Alzheimer ansteckend Studie - Figure 3
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Nach dem Erfolg der Studie nahmen die Forschenden archivierte Chargen der damals verwendeten Hormonpräparate genauer unter die Lupe. Darin fanden sie messbare Mengen von fehlgefalteten Amyloid-β- und Tau-Proteinen, die die Alzheimererkrankung auslösen können. In Versuchen mit Mäusen zeigte sich, das die Hormonpräparate noch immer in der Lage waren, Amyloid-Ablagerungen zu verursachen, die für Alzheimer typisch sind.

Aus Sicht der Studienautorinnen und Studienautoren sprechen die neuen Erkenntnisse deutlich dafür, dass Alzheimer aufgrund einer medizinischen Maßnahme übertragbar sein kann. Fachleute sprechen von einer iatrogenen Übertragung.

Fachleute: Weitere Studien nötig

Andere Expertinnen und Experten äußern sich hingegen zurückhaltender. Es lasse sich nicht mit Sicherheit sagen, dass die fünf Probadinnen und Probanden aufgrund der Wachstumshormonbehandlung an Demenz erkrankt sind, meint etwa Tara Spires-Jones vom UK Dementia Research Institute. Zum einen sei die Stichprobe mit acht Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr klein, zum anderen wiesen einige Personen noch andere Risiken für Demenz auf. Zwei Personen hatten zum Beispiel eine geistige Behinderung, eine andere ein Gen, das mit einem höheren Alzheimer-Risiko verbunden ist.

„Aus meiner Sicht erscheint es verfrüht, das klinische Syndrom der Patienten bereits aufgrund der aktuell berichteten Daten als iatrogene – das heißt durch ärztliche Behandlung verursachte – Alzheimerkrankheit zu bezeichnen und die Alzheimerkrankheit somit als übertragbar anzusehen“, pflichtet Michael Beekes, Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide am Robert Koch-Institut, bei. Aus seiner Sicht brauche es weitere Studien, um die Schlussfolgerungen der Forschenden zu überprüfen.

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Susan Kohlhaas von Alzheimer‘s Research UK weist zudem darauf hin, dass dies bisher der einzige bekannte Fall einer Alzheimer-Übertragung zwischen Menschen ist. „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Krankheit über andere Wege übertragen werden kann, etwa durch alltägliche Aktivitäten oder medizinische Routineverfahren.“

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