Chrupalla und Weidel als AfD-Vorsitzende bestätigt
«Widerstand gegen Deindustrialisierung und Massenzuwanderung»: Tino Chrupalla und Alice Weidel bleiben AfD-Vorsitzende
Auf dem Parteitag in Essen wurde das bisherige Spitzenduo bestätigt. Dieses gibt als Ziel eine baldige Regierungsverantwortung im Osten an.
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Früher als erwartet und mit einer überraschenden Pointe hat die Alternative für Deutschland auf ihrem Parteitag in Essen die beiden bisherigen Vorsitzenden bestätigt. Weiterhin werden Tino Chrupalla und Alice Weidel der rechten Oppositionspartei vorstehen. Nicht aber zu erwarten war, dass Chrupalla mit 82,72 Prozent ein stärkeres Ergebnis erzielen würde als seine Vorstandskollegin. Weidel errang 79,77 Prozent und musste 106 Nein-Stimmen akzeptieren. Bei Chrupalla war die Summe der Ablehnungen mit 89 Voten geringer.
Noch bei ihrer Rede zur Eröffnung des Parteitages hatte Weidel einen deutlich längeren Applaus erhalten als Chrupalla nach seinem Tätigkeitsbericht. Die Bundestagsabgeordnete war die klare Favoritin, zumal sie als Liebling der Basis gilt. Bei den Delegierten hat Chrupalla demnach stark an Ansehen gewonnen. Oder haben jene «Absprache-Netzwerke» gute Arbeit geleistet, die später der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel ansprach bei seiner erfolglosen Kandidatur für den Posten des dritten Stellvertreters?
Alice Weidel fordert eine bessere KommunikationVor zwei Jahren wurde Chrupalla mit lediglich 53 Prozent gewählt, damals in einer Kampfabstimmung gegen seinen Fraktionskollegen Norbert Kleinwächter. Nun hatte weder er noch Weidel Gegenkandidaten. Auch wurde nach den beiden Bewerbungsreden keine einzige Nachfrage gestellt. Weidel und Chrupalla dürften diese doppelte Zurückhaltung als Ergebnis der von ihnen forcierten Professionalisierung der Partei deuten.
Inhaltlich wie rhetorisch beschritt das Führungsduo verschiedene Wege. Der Sachse Chrupalla verhaspelte sich zuweilen in seinem Vortrag, reichte den Delegierten aber ein charmierendes Lob mit voller Kelle. Auffällig war seine Fokussierung auf die «bürgerliche Mitte», die Chrupalla offenbar als Zielgruppe der AfD identifiziert. Als «Partei der Wertschöpfer», konkret der Arbeiter und der Arbeitgeber, des Mittelstands und der Handwerker, müsse die AfD in Regierungsverantwortung gelangen, und zwar schon bei den kommenden drei Wahlen im Osten Deutschlands. Dann, folgerte Chrupalla, «wird diese Partei unser Land verändern», an der Spitze des «Widerstands gegen Deindustrialisierung und Massenzuwanderung».
Während Chrupalla seine bisher zweijährige Zeit an der Spitze mit einem Goldrand versah und die AfD auch dank seinem Wirken auf dem Weg zur Volkspartei sieht, wählte Weidel kritische Worte, sprach geradezu staatstragend, nicht hemdsärmelig, nicht jovial. «Wir erklären noch zu wenig», mahnte sie die Parteifreunde. Damit die Wähler die AfD an ihrem Programm messen und nicht an den Erzählungen der Konkurrenz oder der Medien, müsse die AfD «bei der Kommunikation unbedingt besser werden». Diesem Schwerpunkt wolle sie sich widmen.
Abschied von der Basisdemokratie?Als erster Stellvertreter von Weidel und Chrupalla wurde der thüringische Bundestagsabgeordnete Stefan Brandner mit 90,77 Prozent bestätigt, als zweiter Stellvertreter sodann Peter Boehringer aus Bayern mit 85,35 Prozent. Beim dritten Stellvertreterposten forderte Dirk Spaniel, ein erfahrener Weidel-Gegner aus dem baden-württembergischen Landesverband, Kay Gottschalk heraus. Spaniel unterlag mit 30 zu 62 Prozent dem Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen.
Spaniel, in dem manche Delegierten einen notorischen Streithansel sehen, wollte die AfD auf die vordringliche Arbeit verpflichten, «den Deutschen ihren Nationalstolz zurückzugeben». Er schloss mit dem Ruf des Widerstandskämpfers Claus Schenck Graf von Stauffenberg, «es lebe das heilige Deutschland!». Gottschalk hingegen schimpfte und zeterte mit dramatischer Geste und strenger Mimik: «Die Verrohung in diesem Land geht von den Linken aus». Er wolle gemeinsam mit der AfD «das Land rocken».
Als mit dem im Amt bestätigten Bundesschatzmeister Carsten Hütter aus Sachsen die sechste Personalie geklärt war, zeigte die Hallenuhr gerade einige Minuten nach 15 Uhr. Bei der Europawahlversammlung in Magdeburg 2023 war es nach ausufernden Debatten und zahlreichen Kampfkandidaturen Mitternacht, ehe gerade einmal fünf Nominierungen feststanden.
Die Landesverbände sind mittlerweile treibende Faktoren und räumen Konflikte durch Vorabsprachen aus dem Weg. Ob es sich auch damit um eine Professionalisierung handelt oder um einen schleichenden Abschied von der Basisdemokratie, liegt ganz im Auge des Betrachters.