AfD in Sachsen und Thüringen: Alice Weidel und das Feminismus ...
Auch erfolgreiche Frauen können antifeministisch handeln. Bild: AI / Chat GPT
Sexistische Scheiße
Es ist eigentlich gar nicht wenig, was in der Theorie für Alice Weidel sprechen könnte. Sie ist eine Frau, sie ist lesbisch, sie ist erfolgreich. Das klingt im Sinne des Feminismus erst einmal positiv. Das Problem ist: Alice Weidel ist einer der führenden Köpfe der AfD.
An diesem Wochenende waren die Wahlen in Thüringen und Sachsen, die AfD hat sehr stark abgeschnitten. Für Alice Weidel als Parteivorsitzende ist das ein riesiger Erfolg.
Für die Emanzipation der Frauen ist das jedoch keine gute Nachricht – in Bezug auf Alice Weidel und den Feminismus herrscht nämlich bis heute in Teilen der Gesellschaft ein ziemlich großes Missverständnis.
Alice Weidel ist das Gegenteil von EmanzipationViele halten Alice Weidel für eine emanzipierte Frau, weil sie erfolgreich ist. Weil sie es geschafft hat, sich in der männerdominierten Hauptstadtpolitik durchzusetzen. Die Autorin Ciani-Sophia Hoeder nennt diese Lesart "Elitefeminismus". Sie beschreibt das in ihrem Buch "Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher" und nimmt darin den "neoliberalen Gedanken" auseinander, "dass Frauen, damit sie frei sind, wie die andere Hälfte der Bevölkerung sein sollten. Wir heiraten keine Männer mehr. Wir werden sie."
Fakt ist: Alice Weidel ist weit entfernt von moderner Emanzipation oder Feminismus.
Es gibt viele Männer, die Feminismus besser können als sie. In der Politik fällt mir da Gregor Gysi ein, der sich gerne öffentlich als Fürsprecher von Frauen gibt. Er zeigt: Feminismus hat nicht zwingend was mit dem Geschlecht einer Person zu tun. Sondern mit dem Mindset. Und das Mindset von Alice Weidel und ihrer Partei ist rückwärtsgewandt und anti-feministisch.
Das beste antifeministische AfD-Beispiel liefert Maximilian Krah, der unter anderem auf X postete: "Feminismus heute ist Krebs." Und beim politischen Aschermittwoch vor wenigen Monaten sagte er: "Feministinnen sind alle hässlich und grässlich."
Von Frauenquoten hält man in der AfD entsprechend nichts. Auch als Frau nicht. Die Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst behauptet im ZDF: "Die strukturelle Benachteiligung von Frauen gleicht einem Yeti: Jeder spricht darüber, aber noch niemand hat ihn ernsthaft gesehen." Dass das Quatsch ist, weil Frauen in Deutschland auch heute noch rund ein Fünftel weniger verdienen als Männer und der unbereinigte Gender Pay Gap 2023 damit bei 18 Prozent liegt, interessiert sie offenbar nicht.
Ich komme immer wieder zu der Frage: Wie kann man sich als Frau in so einer Partei engagieren? Alice Weidel kann alleine deshalb keine starke Frau sein, weil sie sich durch ihre antifeministische Politik permanent selbst schwächt. Und natürlich schadet sie auch anderen Frauen. Genau deshalb ist es auch kein feministischer Akt, die AfD zu wählen.
Intersektionaler Feminismus: Alle Formen von Diskriminierung abschaffen"Alleine eine Frau zu sein, alleine queer zu sein oder alleine eine Partei zu führen, heißt nicht, dass eine Frau feministisch ist", sagte die feministische Autorin Sibel Schick im Interview mit watson bezogen auf Alice Weidel. "Frauen mit Macht sind noch nicht feministisch. Von einer Frau diskriminiert zu werden, ist kein Feminismus."
Sibel Schick versteht Feminismus immer als intersektionalen Feminismus, was aktuell wohl die wichtigste feministische Strömung ist. Sie hat als Ziel, sämtliche Formen von Diskriminierung abzuschaffen, nicht nur die von Frauen. Sie wendet sich zum Beispiel auch gegen den Rassismus oder Klassismus.
Die AfD will keine Gleichheit. Die AfD steht für Ausgrenzung, Hass gegen Migrant:innen und auch für die Benachteiligung von homosexuellen Menschen.
Weidel ist die lesbische Chefin einer Partei, die ein Problem mit Lesben hatTatsächlich geht die AfD auch gezielt gegen queere Menschen vor. So wollte sie etwa die Ehe für alle wieder abschaffen. Interessant ist: Genau darüber hat ausgerechnet Weidels Partnerin Sarah Bossard, Filmproduzentin aus Sri Lanka, mit der "Basler Zeitung" gesprochen.
Da sagte sie 2021: Die Gegenkampagne zur Ehe für alle sei aus ihrer Sicht "nicht nur geschmacklos, sondern geht an unserer Lebenswirklichkeit völlig vorbei". Weidel selbst machte derweil 2017 Wahlkampf gegen die Gleichberechtigung von homosexuellen Menschen: "Ehe für alle, während das Land islamisiert wird?", fragt sie als AfD-Spitzenkandidatin beispielsweise auf Facebook.
Ich weiß nicht, ob Alice Weidel sich davon innerlich zerrissen fühlt, und mein Mitleid würde sich auch in Grenzen halten. Aber: Sie ist die lesbische Vorsitzende einer Partei, die ein Problem mit lesbischen Frauen hat.
Legendär fand ich in diesem Zusammenhang auch ihr ARD-Sommerinterview von 2023: "Ich bin nicht queer, sondern ich bin mit einer Frau verheiratet, die ich seit 20 Jahren kenne. Wir haben zwei gemeinsame Kinder."
Worum es ihr mit dieser Äußerung vermutlich ging, ist die Haltung: Sie fühlt sich nicht der queeren Community zugehörig. Sie versucht, sich abzugrenzen von der bunten und aktivistischen, queeren Bewegung.
Aber queer ist ganz einfach auch ein Sammelbegriff für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen. So verstehen und nutzen ihn viele Menschen. Und deshalb wirkt Weidels Äußerung für die meisten auch so widersprüchlich.
Nein, natürlich gendert Alice Weidel nichtNatürlich überrascht es da nicht, dass Alice Weidel keine inkludierende Sprache nutzt. Gendern, sagt sie, "vergewaltigt nicht nur unsere Muttersprache und zertrümmert Texte bis zur Unlesbarkeit." Es wolle "über die Manipulation der Sprache auch unser Denken im Sinne der Gender-Ideologie beeinflussen und kontrollieren".
Nun ist es in der Tat so, dass Sprache unsere Welt verändern kann. Aber dass Sprache ganz bewusst niemanden ausgrenzt, sondern offen ist und jede:n mitdenkt, ist doch etwas Positives. Für manche mag die kurze Pause beim Sprechen, der Doppelpunkt oder das Gender-Sternchen beim Schreiben ungewohnt sein. Ich persönlich versuche trotzdem umzudenken, wenn dadurch zumindest in der Sprache niemand ausgegrenzt wird.
Dazu kommt: Sprache hat sich immer schon entwickelt. Wir sprechen heute nicht mehr so wie vor 100 Jahren und auch jetzt passt sich Sprache an unsere neue Lebensrealität an.
Intellektuell wäre Alice Weidel mit Sicherheit in der Lage, das zu verstehen. Doch sie möchte es nicht akzeptieren. Weil sie vieles ist, aber eben leider auch das Gegenteil von feministisch. Daran ändern auch die Wahlergebnisse vom gestrigen Sonntag nichts.
Westliche Gesellschaften werden immer lockerer und weniger prüde. Vielerorts verbreitet sich zunehmend die Meinung, dass sich alle mal entspannen sollten und tragen können, was sie wollen. Wer viel Haut zeigen will, soll viel Haut zeigen; wem das unangenehm ist, kann sich ja selber mehr bedecken – und bei nackteren Personen in der Öffentlichkeit wegschauen.