Nach Hofburg-Reigen: Alle Augen auf Van der Bellen

16 Stunden vor
Alexander Van der Bellen

Nach Hofburg-Reigen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat seine Gespräche mit den Parteispitzen von FPÖ, ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen über eine etwaige künftige Koalition am Dienstag abgeschlossen. Zwischendurch zeigte sich Van der Bellen über die Gespräche durchwegs positiv gestimmt. Seine Abschlussbilanz aber steht noch aus und wird mit Spannung erwartet.

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Nicht zuletzt ist unklar, ob der Bundespräsident einen Regierungsbildungsauftrag erteilen wird. Nötig ist dieser nicht, vielmehr war es nur bis dato Usus, dass der Bundespräsident den Chef der stimmenstärksten Partei mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Gesetzlich festgeschrieben ist das aber nicht.

So deutete Van der Bellen bereits mehrfach an, FPÖ-Chef Herbert Kickl, der als Erster aus der Nationalratswahl hervorgegangen ist, nicht ohne Weiteres mit der Regierungsbildung beauftragen zu wollen. Ohne Regierungsbildungsauftrag könnten die Parteien aber trotzdem untereinander nach Mehrheiten suchen und diese dann dem Bundespräsidenten offerieren.

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In der Regierung sei ihm wichtig, so Van der Bellen vergangene Woche, „dass die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie respektiert werden“ – Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte sowie ein respektvoller Umgang miteinander. Denn „Worte schaffen Realität. Wir müssen sie mit Bedacht wählen“, sagte der Bundespräsident letzten Mittwoch bei der Verabschiedung der derzeitigen Regierung von ÖVP und Grünen, die mit der Fortführung der Geschäfte betraut ist, bis eine neue Regierung angelobt wird.

Nehammer, Babler, Kogler: „Vertrauensvoll“

Zum Abschluss des Gesprächsreigens beriet Van der Bellen sich am Dienstag mit Grünen-Chef Werner Kogler und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Über den Inhalt der Unterredungen wurde, wie auch schon am Montag mit SPÖ-Parteichef Andreas Babler und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sowie am Freitag mit Kickl, nichts bekannt.

Für Nehammer, Babler und Kogler verliefen die Gespräche „sehr vertrauensvoll“ bis „vertrauensvoll“, wie sie gegenüber Medien sagten. Von Babler hieß es, man habe sich in einem „sehr guten Gespräch“ über „die politische Lage in Österreich“ ausgetauscht. Kogler verwies am Dienstag zusätzlich noch auf die Vertraulichkeit. Wichtig sei es nun, gemeinsame Schnittmengen zu finden, was künftige Entscheidungen betreffe, so Kogler weiter.

Meinl-Reisinger: „Zukunftsblick, aber auch Sorge“

Etwas auskunftsfreudiger zeigte sich Meinl-Reisinger. Nun seien alle miteinander in der Verantwortung, für die Zukunft des Landes zu sorgen, sagte sie vor ihrem Gespräch mit dem Bundespräsidenten. Im Nachhinein berichtete die NEOS-Chefin den Journalistinnen und Journalisten, sie habe bei Van der Bellen ihre grundsätzliche Bereitschaft bekräftigt, „zukunftsorientiert und mit Tatkraft an Reformen zu arbeiten und in entsprechende Gespräche mit SPÖ und ÖVP zu gehen“.

Der Austausch mit dem Bundespräsidenten sei viel von „Zukunftsblick, aber auch Sorge“ getrieben gewesen, vor allem was die wirtschaftliche und damit einhergehende budgetäre Situation betreffe. Angesichts dessen sehe sie alle Parteien in der Verantwortung. Denn für viele der aus ihrer Sicht nötigen Reformen braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, weshalb sie alle Parteien zu „Reformgesprächen“ eingeladen habe. Konkrete Termine dafür gibt es laut NEOS noch nicht.

Kickl: „Angenehmes Gespräch“

Kickl beschrieb sein Treffen mit Van der Bellen als „angenehmes Gespräch, atmosphärisch ganz in Ordnung“, wie er vor seinen Anhängerinnen und Anhängern am Sonntag beim Wahlkampfauftakt der FPÖ in der Steiermark, wo am 24. November die Landtagswahl stattfindet, sagte. Van der Bellen habe sehr genau zugehört und sich viel Zeit genommen. Kickl habe nach eigenen Angaben „deponiert“, dass die FPÖ und er selbst regieren wollten.

Alle Unterredungen dauerten bisher rund eineinhalb Stunden. Nach Abschluss der Gesprächsrunde will sich Van der Bellen öffentlich zum weiteren Vorgehen äußern. Wann genau und ob das überhaupt schon am Dienstag passieren wird, ist offen.

Webhofer zur Koalitionssuche

Mit Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Werner Kogler (Grüne) ist am Dienstag der Gesprächsreigen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Ende gegangen. In den Gesprächen agierte dieser vorerst als Zuhörer, analysiert ORF-Innenpolitikchef Klaus Webhofer. Nun liege der Ball beim Bundespräsidenten.

„Atmosphärischer Austausch“ von Nehammer und Babler

Unterdessen gab es am Dienstag auch informelle Gespräche. Nehammer und Babler kamen zu einem Vieraugengespräch zusammen. Dabei handle es sich nicht um Sondierungsgespräche oder Koalitionsgespräche wie in beiden Parteien betont wurde, sondern um einen „atmosphärischen Austausch“. Das teilten die beiden in wortgleichen Statements der APA mit. „Es gehört zu den politischen Gepflogenheiten, nach einer Wahl auf Ebene der Parteichefs miteinander zu reden“, sagten sowohl Babler als auch Nehammer.

Bisher hätten die beiden auf bundespolitischer Ebene abseits des Wahlkampfs wenige Berührungspunkte gehabt. Was die Inhalte des Gesprächs waren, teilten sie nicht mit. Meinl-Reisinger begrüßte das Treffen der beiden nach ihrem Gespräch mit dem Bundespräsidenten: „Sollen sie, wunderbar“, meinte sie.

Zweite Hofburg-Runde?

Wie die Zeit im Bild am Montag berichtete, könnte sogar eine erneute Runde an Gesprächen mit allen Parteispitzen und dem Bundespräsidenten anstehen, bevor es zu weiteren Schritten der Regierungsbildung komme. Die Ausgangsposition für eine Koalition ist dieses Mal jedenfalls besonders kompliziert, denn keine Partei will mit der FPÖ unter Kickl koalieren. SPÖ, NEOS und Grüne sprachen sich vor und nach der Nationalratswahl überhaupt gegen eine Koalition mit der FPÖ aus.

Außerdem hat die ÖVP mit der SPÖ im Nationalrat nur eine knappe Mehrheit von einer Stimme Überhang, was realpolitisch die Einbeziehung eines dritten Partners – NEOS oder Grüne – wahrscheinlich machen würde, sollte man sich für diese Konstellation entscheiden.

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