Frankreich: Schwere Vorwürfe gegen Armenpriester Abbe Pierre

18 Jul 2024
Abbé Pierre

Frankreich

Der als Vorkämpfer gegen Armut und Obdachlosigkeit bekanntgewordene französische Priester und Kapuziner Abbe Pierre, wird von mehreren Frauen sexueller Gewalt beschuldigt. Von Seiten der Emmaus-Gemeinschaft begrüße man den „Mut der Personen, die ausgesagt haben“.

Online seit heute, 8.57 Uhr (Update: 9.32 Uhr)

Im Hintergrund der Vorwürfe stehen Aussagen von sieben Frauen, die im Auftrag der internationalen und der französischen Emmaus-Gemeinschaft sowie der in Frankreich ansässigen Abbe-Pierre-Stiftung aufgenommen und analysiert wurden, wie die Emmaus-Bewegung am Mittwoch mitteilte.

Man begrüße „den Mut der Personen, die ausgesagt haben und es durch ihre Worte ermöglicht haben, diese Realitäten ans Licht zu bringen“. Die Vorwürfe beziehen sich den Angaben zufolge unter anderem auf wiederholte Äußerungen mit sexuellem Bezug und unerwünschtes Anfassen.

Zeugenaussage als „Auslöser“

Auslöser der Untersuchung ist laut Mitteilung der drei Organisationen eine vor einem Jahr eingegangene Zeugenaussage über einen sexuellen Übergriff des Priesters auf eine Frau. Nach einem Treffen mit der Frau habe man ein Expertenbüro mit der Untersuchung beauftragt, um mögliche weitere Fälle festzustellen.

Die Experten sammelten demnach die Aussagen von sieben Frauen, von denen eine zum Zeitpunkt der Übergriffe minderjährig gewesen sei. Die gesammelten Informationen könnten demnach darauf hindeuten, dass der Priester in dem Zeitraum zwischen dem Ende der 1970er Jahre und 2005 gegenüber Angestellten, Freiwilligen und Ehrenamtlichen der Emmaus-Organisationen sowie jungen Frauen aus seinem privaten Umfeld sexuell übergriffig geworden sei.

„Immenser Schock“

Es gebe Grund zu der Annahme, dass es weitere Betroffene gebe, deren Zahl sich schwer schätzen lasse, so die Emmaus-Bewegung. Die Präsidentin der Abbe-Pierre-Stiftung, Marie-Helene Le Nedic, sprach von einem „immensen Schock“. Es habe nun Priorität, vollständige Transparenz zu zeigen und den Betroffenen zu helfen. Die Organisationen kündigten weitere Aufklärungsarbeit an. Mögliche weitere Betroffene und Zeugen sollen sich vertraulich an die Emmaus-Bewegung wenden können; ihnen soll auch eine Begleitung angeboten werden.

Henri Antoine Groues, so der bürgerliche Name Abbe Pierres, hatte 1949 die Emmaus-Gemeinschaft gegründet, die sich heute mit Hilfe zur Selbsthilfe in knapp 40 Ländern weltweit gegen Armut und Obdachlosigkeit einsetzt. Neben den Aktivitäten der Emmaus-Gemeinschaft setzt sich die 1988 gegründete Abbe-Pierre-Stiftung für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Renovierung heruntergekommener Wohnungen und Obdachlosenasyle ein.

Hotline und E-Mailadresse für Betroffene eingerichtet

Abbe Pierre führte über Jahrzehnte hinweg die Liste der beliebtesten Persönlichkeiten an. Der in Lyon geborene Henri Groues trat mit 20 Jahren dem Kapuzinerorden bei und war in der französischen Widerstandsbewegung aktiv. Aus dieser Zeit stammt sein Name „Abbe Pierre“, den er erhielt, ohne Abt gewesen zu sein. Die Organisationen richteten aufgrund der Vorwürfe eine Hotline und eine Email-Adresse ein, bei der sich mögliche weitere Betroffene melden können.

Bischofskonferenz: Tiefes Mitgefühl

Die Französische Bischofskonferenz reagierte am Tag des Bekanntwerdens mit einer knappen Mitteilung. Sie wolle den Betroffenen vor Kenntnis des Berichts ihr tiefes Mitgefühl sowie ihre Beschämung darüber versichern, dass solche Vorfälle von einem Priester begangen werden konnten. Weiter hieß es, man bekräftige die Entschlossenheit, die Kirche zu einem sicheren Haus zu machen.

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