Missbrauch und Aufklärung: Ein Regelwerk gegen Gewalt im Sport

Auf dem Weg zur Vermeidung, Aufklärung und Bestrafung von Gewalt im Sport haben der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und Athleten Deutschland e.V. am Dienstag ein 285 Seiten umfassendes Rechtsgutachten veröffentlicht. Die beauftragte Frankfurter Kanzlei ASD schildert, wie eine Aufgabenwahrnehmung eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport (ZfSS) aussehen könnte, welche Rolle es in einem Zusammenspiel mit Staat und Sport spielen müsste.

Hinter dem energischen Einsatz von Funktionären und Athleten steckt die „Vision“ von einer juristisch und organisatorisch lückenlosen Harmonisierung des Kampfes zum Wohle von Betroffenen. Im Kern des Rechtsgutachtens wird die Entwicklung eines „Safe Sport Codes“ (SSC) als „sportartenübergreifendes Regelwerk“ beschrieben, dass physische, psychische und sexualisierte Gewalt sowie Diskriminierung, Vernachlässigung und Versäumnisse von Sportverbänden unter Strafe stellt.

Mit der Implementierung des SSC würde ein einheitlicher Verhaltensstandard sowie eine einheitliche Verfahrensweise für Sportstrafverfahren durchgesetzt. Er regelte neben vielen anderen Details die Aufgabenverteilung zwischen dem unabhängig zu haltenden Zentrum für Safe Sport und dem organisierten Sport.

Freiheiten des Sports

Verbände und Vereine blieben primär zuständig für Untersuchung und Bestrafung von Verstößen, das ZfSS würde aber als Dienstleister, ähnlich wie die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada), die grundsätzliche Übernahme dieser Arbeit anbieten und dürfte aus eigenem Antrieb ermitteln, sollte es Untätigkeit feststellen. Die beauftragten Juristen empfehlen den Erlass des Kodex durch das ZfSS.

Allerdings muss sich der organisierte Sport freiwillig unterwerfen. Seine im Grundgesetz verankerte Autonomie lässt ihm diese Freiheit. Als der Anti-Doping-Kampf in Deutschland harmonisiert werden sollte, dauerte es zehn Jahre bis zur Einrichtung der Nada. Das hing auch mit dem Widerstand der Verbände zusammen.

Viele brauchten mehr oder weniger sanften Druck, um den Anti-Doping-Kodex in ihre Satzungen zu verankern, ganz zu schweigen von der Abneigung, die Nada zu finanzieren. Im Spitzensport könnte der Bund allerdings über Förderrichtlinien Anreiz schaffen, den Safe-Sport-Code zu akzeptieren. Im Breitensport, zuletzt wurde ein Fußballtrainer zu einer langen Haftstrafe wegen Missbrauchs in fast 160 Fällen verurteilt, bietet sich diese Chance nicht.

Auch deshalb führt das Rechtsgutachten – auf den ersten Blick – alle denkbaren und geringsten Möglichkeiten für eine Mitwirkung des Sports an der Umsetzung an. Verbände, die den Kodex nicht anerkennen, würde das ZfSS „Unterstützung im Umgang mit Fällen“ anbieten. „Ohne den Sport“, sagen die Juristen, „wird es nicht gehen.“ Ohne den Staat auch nicht.

Für eine rechtssichere Weiterleitung etwa von Meldungen bis zum ZfSS müsste der Gesetzgeber mit Blick auf den Datenschutz eine Ausnahmeregelung schaffen, wie sie im Antidoping-Gesetz existiert. Das Rechtsgutachten liegt nun beim Bundesinnenministerium. Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag die Einrichtung des ZfSS fixiert. Als Rechtsform schlägt ASD eine Stiftung vor.

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