Umgang mit Feiertagen in den Niederlanden Tausche Karfreitag gegen Zuckerfest

Mit dem Frühjahr beginnt auch in den Niederlanden wieder die Saison der Feiertage – und die Diskussion, welche eigentlich warum begangen werden sollen.

Der Schatten eines Priesters, der am Karfreitag bei einer Zeremonie ein Kreuz trägt (Archiv-/Symbolbild).

Foto: dpa/Luca Bruno

Gute Nachrichten für Mitarbeiter der Universität Maastricht: erstmals können sie in diesem Jahr den ´Goede Vrijdag´ gegen einen anderen freien Tag eintauschen. Eigentlich ist der Karfreitag im katholischen Süd-Limburg ein fester Feiertag. Mit dem neuen, flexiblen Ansatz will man den Angestellten ermöglichen „persönliche Identität, Lebensüberzeugung oder Religion auf eine passende Weise zu leben“, so die Universitätszeitung Observant.

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Beispiele dafür seien etwa Eid al-Fitr, das „Zuckerfest“ zum Ende des Ramadan, Keti Koti („Zerbrochene Ketten“) am 1. Juli, wenn in den Niederlanden der Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien gedacht wird, Arbeitnehmer aber nicht frei haben, Thanksgiving oder die Bronk-Prozession im nahen Eijsden für dort wohnhafte Mitarbeiter. Im Fall großer Resonanz könnte bei künftigen Tarifverhandlungen über weitere Tausch-Tage nachgedacht werden, wird ein Uni-Sprecher zitiert.

Das Beispiel aus dem nicht zuletzt bei internationalen Studenten beliebten Maastricht steht symptomatisch für eine breitere Debatte die in den Niederlanden: was macht man mit den Feiertagen, die mit wenigen Ausnahmen der christlichen Tradition entspringen? Zum einen entsprechen sie nicht den Gewohnheiten und Interessen einer multikulturellen Gesellschaft. Hinzu kommt, dass auch die Mitgliederzahl christlicher Kirchen immer stärker sinken – ein Prozess, den man hierzulande „Entkirchlichung“ nennt.

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„Schafft die offiziellen christlichen Feiertage ab, Christen sind eine Minderheit“, forderte 2022 August Hans den Boef in einer Kolumne. Er berief sich auf eine Statistik, nach der 34 Prozent der Bevölkerung sich christlich nennen, zehn Prozent anderen Religionen anhängt und 56 Prozent „ungläubig, atheistisch oder agnostisch“ ist. Sein Plädoyer beginnt er mit dem Beispiel Christi Himmelfahrt: ein Tag, dessen Ursprung meist nicht einmal mehr bekannt sei, und wenn doch, selbst von gläubige Christen nicht wörtlich genommen würde.

Innerhalb dieses offensichtlichen Widerspruchs haben sich freilich längst praktische Lösungen ergeben, die der veränderten Realität entsprechen, ohne dabei gleich Feiertage vollständig abzuschaffen. Immer mehr Arbeitgeber bieten, ähnlich wie an der Uni Maastricht, einen Feiertags-Austausch an, wenn dies mit dem Tarifvertrag vereinbar ist. Dies hat, nach einem Pilot-Projekt 2023, nun etwa die gemeinsame Plattform IPO der 12 Provinzen unter dem Stichwort „Wähle deine Feiertage: Diversitäts-Urlaub“ beschlossen. Was de facto nicht ganz zutrifft, denn um Urlaubs-Tage handelt es sich ja im eigentlichen Sinne nicht.

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Ein bemerkenswertes Beispiel bietet auch die Amsterdamer weiterführende Schule Xplore, die zum Netzwerk des neuen Konzepts von ´Agora-Unterricht´ zählt. Dort können Schüler einen Teil der Ferien selbst wählen, nur zu Kern-Urlaubszeiten ist die Schule geschlossen. Direktor Werner Wijsman erklärt das so: „Es passt zu unserem Konzept, das viel Wert legt auf Selbstbestimmung. Familien können so auch mal außerhalb der Hochsaison in den Wintersport fahren, das bietet finanziell neue Möglichkeiten.“

Wijsman betont, mit dem System seiner Schule sei es immer möglich, an den gewünschten Tagen frei zu haben - ohne dafür wie an anderen Schulen, außer der Reihe einen freien Tag anzufragen. „Das ist kein Aufwand und kein komplizierter Prozess, die Schüler müssen nur zuvor die fraglichen Tage angeben. Für Familien, die demnächst zum Beispiel das Zuckerfest feiern wollen, ist das sehr praktisch.“

Etwa die Hälfte der Schüler mache von der Möglichkeit Gebrauch, Ferientage jenseits der Standardzeiten anzufragen, so der Direktor. Dass dies für das Personal zusätzlichen Aufwand bedeutet, räumt er ein. „Für uns wird es dadurch komplexer, wenn etwa in den Herbstferien ein Grüppchen weiter zur Schule kommt. Es gibt dann mehr Übergabemomente. Wenn der ganze Betrieb eine Woche stillsteht, ist manches einfacher.“

Die gesellschaftliche Diskussion freilich dreht sich nicht nur um Details und Funktionalität, sondern auch um Aspekte wie Identität und Gemeinschaft. Irene Stengs, Forscherin am auf Sprache und Kultur spezialisierten Meertens Instituut in Amsterdam, hat als Anthropologin einen besonderen Blickwinkel auf die Thematik: „Die Bedeutung von Ritualen hat sich immer verändert“, erklärt sie. Problematisch sei das an sich nicht.

Speziell in den letzten Jahren allerdings fänden bestimmte Gruppen es schlimm, dass Menschen mit den Hintergründen von Ostern oder Weihnachten nicht mehr vertraut seien - Feiertage mit einer anderen Bedeutung als Neujahr oder ´koningsdag´. „Dabei geht es darum, an einem bestimmten Bild festzuhalten: an den Niederlanden, wie sie zu einer bestimmten Zeit waren, und einer Kultur, die vom Christentum geprägt ist. Doch während wir heute über den Sinn der Zweiten Feiertage an Ostern oder Pfingsten diskutieren, fahren die Leute dann allesamt zum Möbel-Boulevard.“

Speziell niederländisch sei die Debatte darüber nicht, so Stengs, die auch als Professorin an der Vrije Universiteit in der Hauptstadt lehrt. „In Frankreich oder den USA gibt es vergleichbare Situationen.“ Neben ihrer professionellen Perspektive entspricht ihre private derjenigen der meisten Niederländer. Den bevorstehenden Karfreitag kommentiert sie so: „Schön! Ein freier Tag, ich kann mal Pause machen. Ich werde etwas mit Freunden unternehmen. Und mit Ostern verbinde ich persönlich nichts Religiöses, aber ich werde Eier essen.“

Christi Himmelfahrt