Das „Kulissengrab“ im Stift Zwettl – ein barockes Spektakel!

29 Tage vor

Wie kaum eine Epoche davor und danach, liebte das Zeitalter des Barock alles, was mit Theater und Illusion in Verbindung stand: Aus Gips und Leim schuf man glänzende Marmoroberflächen, die die Natur an Farbreichtum übertrafen. Gold, in hauchdünnen Folien angelegt, veredelte Schnitzwerke und Stuckornamente mit verschwenderischer Großzügigkeit.

Karsamstag - Figure 1
Foto NÖN.at

Und gemalte Kulissen zauberten auf die Bühnen der Theater und Opernhäuser meisterliche Illusionen, deren Wirkung man sich nicht zu entziehen vermochte. Dabei bediente man sich nicht nur im Bereich des weltlichen Luxus opulenter Bühnenbilder. Auch für die Feiern kirchlicher Feste erstellte man gemalte Dekorationen.

Heilige Gräber für die Fastenzeit

Nur wenige Beispiele dieser Malereien haben bis in unsere Tage überlebt – sie waren oft mit sehr einfachen Materialien hergestellt. Beliebt war etwa die Gestaltung eines Heiligen Grabes in der Fastenzeit: Dabei wurde meist die Bewachung des Leichnams Jesu durch Wächter dargestellt, auch die vorangegangene Leidensgeschichte des Herrn konnte in den begleitenden Kulissenmalereien anschaulich präsentiert sein.

Bunte Lichter und musikalische Darbietungen erhöhten den Reiz, die Heiligen Gräber in der Karwoche zu besuchen.

Wenig blieb von der einstigen Pracht! Das alljährliche Auf- und Abbauen schadete den sensiblen Kulissen. Verbote der Heiligen Gräber wie unter Kaiser Joseph II beschleunigten ihren Untergang. In Niederösterreich und Wien sind – im Gegensatz etwa zu Tirol – kaum qualitätvolle Ensembles vollständig erhalten. Am qualitätvollsten zu nennen sind die gemalten Dekorationen von Mariabrunn, Großweikersdorf, Dürnstein und Stift Zwettl.

Stift Zwettl und sein Heiliges Grab

Bereits seit 1631 (und damit rekordverdächtig früh) lassen sich in Stift Zwettl gemalte Dekorationen für die Feier der Kartage nachweisen. 1632 erhielt etwa der „Maler zu Zwettl Jacob Tribler“ vom Kastenamt des Klosters „wegen errichtung des grabs in S. Chorwochen Ein Metzen Korn“. Mehr als ein Jahrhundert später erteilte Abt Melchior von Zaunagg dem Wiener Hoftheatermaler Franz Anton Danne den Auftrag, ein neues Heiliges Grab zu schaffen.

Danne – der laut Schreibweise „Thanee“ wohl Wert darauf legte, französisch ausgesprochen zu werden – reiste am 21. Februar 1744 mit zwei Gehilfen nach Zwettl, wo bereits seit Jänner an der Herstellung der Bretter für die Kulissen gearbeitet wurde. Am 14. März, fast drei Wochen vor Ostern, konnte Danne sein Werk vollenden. Sieht man von den arbeitsfreien Sonntagen ab, benötigten die Maler somit gerade einmal 19 Tage, um ihre Arbeit fertigzustellen.

Das Heilige Grab schließt mit seinem Bühnenaufbau die komplette Ostwand einer eigenen Kapelle der Stiftskirche ab. Wie bei einer Opernaufführung scheint sich der Vorhang zu heben: Der Blick in den Palasthof des römischen Statthalters von Jerusalem, Pontius Pilatus, tut sich auf. Hier hat sich am frühen Morgen des Karfreitag eine aufgebrachte Menge versammelt, soeben wird der gefesselte Jesus von Soldaten die Stufen herabgeführt.

Karsamstag - Figure 2
Foto NÖN.at

Durch hohe Arkaden trägt man das Kreuz herbei – der letzte Weg des Verurteilten nimmt seinen Lauf.

Foto: Andreas Gamerith

Im Sockel der Bühnenarchitektur wird die Grabkammer Jesu sichtbar, in der der tote Erlöser nach der Kreuzigung liegt. Zwei Soldaten, an Felsen gelehnt, versehen ihren Dienst, den Leichnam zu bewachen – und schlafen.

Faszination Barock erschließt sich am eindrucksvollsten vor dem Original

Das Heilige Grab in Stift Zwettl übt eine ungeheure Faszination aus, die sich am eindrucksvollsten vor dem Original erschließt: Dünne Holzbretter, an den Konturen ausgeschnitten, erzeugen eine Illusion von Tiefenraum, der man sich nicht entziehen kann.

Dass auch der Auftraggeber im Jahr 1744 höchst zufrieden war, lässt sich daran erkennen, dass er dem Maler am Ostersonntag vier Silbertaler als Geschenk aushändigen ließ. Und den Künstlern wird es in Zwettl wohl auch gefallen haben – immerhin „verbrauchten“ sie bei ihrem Aufenthalt zwei Eimer, sieben Maß und zwei Seitel Wein, also insgesamt 124 Liter.

Das Heilige Grab von Franz Anton Danne: 1744 schuf der Wiener Hoftheatermaler Franz Anton Danne (1700-1767) sein „Heiliges Grab“ im Zisterzienserstift Zwettl. Da seine Kulissenmalerei permanent in einer Seitenkapelle der Stiftskirche aufgestellt war, überdauerte sie unbeschadet die Jahrhunderte – und selbst die Verbote von Kaiser Joseph II.

Am Karsamstag finden von 14 Uhr bis 18 Uhr im Heiligen Grab die Anbetungsstunden der Stiftspfarre Zwettl statt.

Mehr zur NÖN-Serie findet ihr hier: „Geschichten aus dem Stift Zwettl“

Schatz im Stift Zwettl
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