Weiterer Boeing-Whistleblower gestorben

Und wieder ist ein Boeing-Whistleblower tot – auch er wies auf Mängel bei der Qualitätskontrolle hin

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Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Der 45-jährige Joshua Dean erlag einer schweren Krankheit. Er hatte beim Boeing-Zulieferer Spirit Aerosystems als Qualitätsprüfer gearbeitet und warnte vor Produktionsfehlern beim Rumpf der 737-Max. Es ist der zweite Boeing-Whistleblower, der in diesem Jahr stirbt.

Der Hauptsitz von Spirit Aerosystems in Wichita, Kansas.

Nick Oxford / Reuters

Joshua Dean, ein Boeing-Whistleblower, der vor Mängeln bei der Herstellung des Flugzeugs 737-Max beim Zulieferer Spirit Aerosystems gewarnt hatte, ist nach kurzer Krankheit verstorben. Das berichtete die «Seattle Times» am Mittwoch.

Der 45-jährige Joshua «Josh» Dean lebte in Wichita im Gliedstaat Kansas. Dort arbeitete er als Qualitätsprüfer bei Spirit. Dabei reichte er eine Beschwerde bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA ein, in der es um «schwerwiegendes und grobes Fehlverhalten» des leitenden Managements bei der Qualitätskontrolle der 737-Produktionslinie ging.

Spirit wurde 2005 aus dem Boeing-Konzern ausgegliedert und ist heute einer der grössten Zulieferer für den amerikanischen Flugzeugbauer. Seit eine 737-Max im Januar während eines Flugs ein Rumpfteil verloren hatte, stehen die beiden Unternehmen wegen angeblicher Mängel bei der Qualitätskontrolle in der Kritik. Die FAA untersucht den Vorfall.

Mit schwerer bakterieller Infektion im Spital

Laut der «Seattle Times» wurde Dean vor rund zwei Wochen mit Atemproblemen ins Spital eingeliefert, wo er intubiert wurde. Er litt an einer Lungenentzündung und einer schweren bakteriellen Infektion mit MRSA. Das Bakterium ist gegen eine grosse Gruppe von Antibiotika resistent.

Sein Zustand verschlechterte sich rapide, Dean wurde verlegt und wurde zur Unterstützung seiner Organe an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Doch die Mediziner konnten sein Leben nicht retten. Am Dienstag erlag Dean den Folgen seiner Krankheit.

Wie seine Mutter gegenüber dem Radiosender NPR sagte, hat sich Dean zuvor guter Gesundheit erfreut und sei für seinen gesunden Lebensstil bekannt gewesen. Um die genaue Todesursache festzustellen, hat sie eine Autopsie ihres Sohnes verlangt.

«Unsere Gedanken sind bei der Familie von Josh Dean. Dieser plötzliche Verlust ist eine erschütternde Nachricht für uns und für seine Angehörigen», sagte ein Spirit-Sprecher in einer Mitteilung.

Dean ist der zweite Boeing-Whistleblower, der in diesem Jahr gestorben ist. Im März wurde der 62-jährige ehemalige Boeing-Manager John «Mitch» Barnett tot aufgefunden. Jahrelang hatte er die Öffentlichkeit über eklatante Mängel beim Flugzeugbauer informiert. Die Polizei geht von Selbstmord aus, die Untersuchung ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Hier bekommen Sie Hilfe:

Wenn Sie selbst Suizid-Gedanken haben oder jemanden kennen, der Unterstützung benötigt, gibt es verschiedene Hilfsangebote:In der Schweiz können Sie die Berater der Dargebotenen Hand rund um die Uhr vertraulich unter der Nummer 143 erreichen.In Deutschland finden Sie entsprechende Hilfe bei den Beratern der Telefonseelsorge, online oder telefonisch unter der Nummer 0800 / 1110111.

Dean und Barnett wurden vom gleichen Anwalt vertreten, Brian Knowles. «Der Tod von Josh ist ein Verlust für die Luftfahrtgemeinschaft», sagte dieser in einer Mitteilung. «Er besass enormen Mut, für das einzutreten, was er für wahr und richtig hielt, und sprach Qualitäts- und Sicherheitsfragen an. Luftfahrtunternehmen sollten diejenigen, die diese Probleme ansprechen, ermutigen und belohnen.»

Dean entdeckte falsch gebohrte Löcher im Rumpf

Dean hatte Maschinenbau studiert und startete 2019 bei Spirit. Schon im folgenden Jahr wurde er im Rahmen von Kürzungen wegen der Covid-19-Pandemie wieder entlassen. Im Mai 2021 kehrte er als Qualitätsprüfer zu Spirit zurück.

Im Oktober 2022 entdeckte Dean einen in seinen Augen schwerwiegenden Produktionsfehler: Mechaniker sollen unsachgemäss Löcher in das hintere Druckschott der 737-Max-Rümpfe gebohrt haben. Dies stellt eine potenzielle Gefahr für die Aufrechterhaltung des Kabinendrucks während des Fluges dar. Dean habe seine Vorgesetzten informiert, diese seien jedoch untätig geblieben.

Mitte April 2023 machte Boeing einen anderen Produktionsfehler im Zusammenhang mit den Heckflossenbeschlägen bei 737-Max-Flugzeugen öffentlich. Die Entdeckung führte zu einem Produktionsstopp im Boeing-Werk in Renton bei Seattle.

Ende April wurde Dean von Spirit entlassen. Er habe es versäumt, den Fehler bei den Heckflossenbeschlägen zu melden. Dean selbst sagte, er habe das wohl übersehen, weil er sich auf den anderen Produktionsfehler fokussiert habe.

Im August 2023 machte Spirit die Entdeckung der unsachgemäss gebohrten Löcher im hinteren Druckschott der 737-Max öffentlich, zehn Monate nachdem Dean den Produktionsfehler laut seinen Angaben entdeckt und gemeldet hatte. Das führte zu einem weiteren Produktionsstopp in Renton.

Zu diesem Zeitpunkt reichte Dean die Beschwerde bei der FAA ein. Er sagte, Spirit habe ihn als Sündenbock benutzt und die FAA über den Produktionsfehler bei den hinteren Druckschotten angelogen, heisst es darin. Auch beim Arbeitsministerium reichte Dean eine Beschwerde ein.

Im Dezember 2023 wurde zudem eine Aktionärsklage gegen Spirit eingereicht. Dem Unternehmen wird darin vorgeworfen, Informationen über die Produktionsfehler zurückgehalten und damit den Aktionären geschadet zu haben. Spirit weist die Anschuldigungen entschieden zurück. Zur Unterstützung der Klage legte Dean eine eidesstattliche Erklärung vor, in der er seine Vorwürfe darlegte.

Spirit und Boeing wollen Qualitätskontrolle verbessern

Boeing und Spirit befinden sich zurzeit in Gesprächen über eine Rückübernahme des Zulieferers. Es wäre ein Eingeständnis, dass der Flugzeugbauer zu viele Bereiche des Herstellungsprozesses ausgelagert hat. «Ist es zu weit gegangen? Ja, wahrscheinlich schon», sagte der per Ende Jahr abtretende Boeing-Konzernchef David Calhoun in einem Interview mit CNBC.

Im April hat sich Boeing weiter dazu bereit erklärt, Spirit eine Finanzspritze von 425 Millionen Dollar zu überweisen. Damit soll die Qualität des Herstellungsprozesses verbessert werden.

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