Der Fall AstraZeneca und die Versäumnisse der Pandemie-Politik

Der Fall des Covid-Impfstoffs von AstraZeneca, der innerhalb von drei Jahren vom Heilsversprechen zum Problemfall wurde, ist bezeichnend für den Umgang mit der Pandemie. Eine umfassende Aufarbeitung hat nie stattgefunden.

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Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Der Nutzen einer Corona-Impfung für Kinder ist nicht erwiesen. Wer während der Pandemie aber darauf aufmerksam machte, wurde diffamiert.

China Stringer Network / Reuters

Im März 2021 schrieb der deutsche Pharmazeut und Molekularbiologe Theodor Dingermann in einer Fachzeitschrift, der Impfstoff von AstraZeneca hätte unter «Nicht-Pandemie-Bedingungen ein Problem mit der Zulassung gehabt». Damals war bekanntgeworden, dass bei der Verabreichung des Impfstoffs Vaxzevria bei 7 von 1,6 Millionen Personen schwere Fälle von Hirnthrombosen aufgetreten waren.

Dingermann bewies damit Mut. Nach den Einschränkungen und Entbehrungen der Massnahmenpolitik wurde die Impfung als einziger Weg aus der Pandemie gepriesen. Die meisten Menschen hatten Angst, die Sehnsucht nach einem Impfstoff war gross – der Druck auf die Zulassungsbehörden ebenso. Kritiker brauchten eine dicke Haut.

Im Frühjahr 2021 setzten Dänemark, Norwegen und Island die Astra-Zeneca-Impfungen aus. Wenig später reagierte auch der damalige deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn und sistierte die geplanten Impfungen vorübergehend. Danach wurden ältere Personen mit neuer Empfehlung der ständigen Impfkommission weiter geimpft.

Nun ist bekanntgeworden, dass die zuständige EU-Kommission dem Impfstoff Vaxzevria die Zulassung per 7. Mai entzogen hat. Derzeit läuft gegen AstraZeneca vor dem High Court in London ein Verfahren, das auf einer Sammelklage von 51 mutmasslichen Impfopfern beruht. Vor wenigen Tagen hat das Pharmaunternehmen erstmals vor Gericht zugegeben, dass sein Corona-Impfstoff schwere Nebenwirkungen hervorrufen kann.

Der Fall von Vaxzevria, das innerhalb von drei Jahren vom Heilsversprechen zum Problemfall wurde, ist bezeichnend für den Umgang mit der Pandemie. Wer darauf hinwies, dass eine Impfung weder Ansteckung noch Übertragung verhindern kann und auch Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden können, wurde als Schwurbler oder Corona-Leugner hingestellt. Eine umfassende Aufarbeitung der Pandemiejahre hat bislang weder in Deutschland noch in der Schweiz stattgefunden.

In der Schweiz, wo AstraZeneca nie zugelassen war und die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht nie ernsthaft diskutiert wurde, stimmt die Bevölkerung im Juni über eine Volksinitiative mit dem Namen «Stopp Impfpflicht» ab. Sie verlangt, dass «Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit» der Zustimmung der Person bedürfen. Hinter dem Begehren stehen Leute, die tatsächlich aus der Esoterik- und Schwurbler-Ecke kommen. Das macht es allen Gegnern einer ernsthaften Pandemie-Aufarbeitung leicht, die Diskussion über Nutzen und Risiken der Covid-Impfung weiter zu vertagen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Fall klar: Vor allem die mRNA-Impfstoffe haben sehr viele Menschen vor ernsthafter Erkrankung geschützt. Aber war es nötig, auch Jugendliche zur Impfung zu drängen und Kinder zu impfen? 2021 sagte der damalige Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, Christoph Berger, dass Kinder nicht geimpft werden müssen, weil sie selten schwer an Covid erkranken. Das Resultat war ein Sturm der Empörung.

Heute weiss man, dass Berger recht hatte. Dennoch schneidet die Politik das Thema lieber nicht mehr an. Stattdessen begnügt man sich mit Schönreden. In der Schweiz gibt sich der Bundesrat gute Noten. Eine Expertenkommission für die Aufarbeitung sucht man vergebens. In Deutschland erwägt die Regierung, Bürgerräte einzurichten. Die dafür ausgesuchten Personen sollen dort stellvertretend die Pandemiezeit verarbeiten. Damit drückt sich auch die Bundesregierung um ihre Verantwortung.

Diese Verweigerung ist im Minimum kurzsichtig. Gerade in Deutschland ist das Vertrauen in die Regierung seit der Pandemie gesunken. Nur eine ehrliche Nutzen-Schaden-Analyse kann es wiederherstellen.

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